Der Kelim der Prinzessin
hoch aufragenden Klippen, der jedoch den Vorteil zu bieten schien, von oben kaum einsehbar zu sein. Wie erfahrene Bergsteiger sicherten stets die als Erste in die Felswand Gestiegenen den mühseligen Weg der ihnen Nachfolgenden ab.
Denen oblag es dann auch, die Tiere mit hinaufzuschaffen. Ohne zu murren, übernahmen die Banditen diese schwere Aufgabe. Als endlich alle oben unter den Mauern der Burg versammelt waren, mussten sie erkennen, dass Qal'at Subeibe seit langem unbewohnt sein musste. Die Torflügel standen offen und gaben den Blick frei auf das lang gezogene, von Mauern beidseitig begrenzte Hochplateau. Auf den Treppen wuchs das Gras, und aus den leeren Fensterhöhlen flatterten aufgeschreckte Wildtauben. Roc bestieg mit seinen engsten Getreuen den höchsten Turm und hielt Ausschau in alle Himmelsrichtungen: Nichts! Keine Karawane, kein Blitzen von Speeren, keine verräterische Staubwolke -
»Es macht mir auch wenig Sinn«, ließ sich Guy, der schlaue Fuchs, vernehmen, »von Damaskus aus den Umweg über diese Einöde zu wählen, statt sich gleich nach Norden zu wenden!«
»Die Mongolen werden dies irreführende Gerücht in die Welt gesetzt haben«, kam jetzt auch dem Templer die späte Erleuchtung, »um ungestört ihr Ziel zu erreichen!«
»Und die Hirten sind darauf reingefallen!«, erkannte der dicke Pons und setzte gleich hinzu: »Und wir auf die dummen Hirten!«
Alle sahen auf den Trencavel, der seine Niederlage weder beschönigen noch abstreiten wollte. »Julian von Sidon wusste, wohin er uns schickte!«, sagte Rog bitter. »Wenn wir unser Ziel noch erreichen wollen, müssen wir uns von nun an mit dreifacher Geschwindigkeit den Litani-Fluss hoch bewegen, vielleicht erwischen wir sie noch bei Baalbek!«
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BAALBEK-IM TEMPEL DES GRAUENS
ALS DER EXPEDITIONSTRUPP der Mongolen des Abends Rast machte und die Soldaten ihre Zelte
aufschlugen -für Yeza wurde eigens ein Karren mit einer großräumigen Jurte mitgeführt -, sahen sie in der Ferne im Licht der untergehenden Sonne die Ruinen der Tempel von Baalbek. Yeza hatte gehofft, dort würden sie im Schatten der mächtigen Säulen und marmornen Opferaltäre nächtigen, denn sie kannte die antike Stätte von früher, doch Khazar war der Ort suspekt, den Gott Baal kannte er nicht, und was ihm ihre muslimischen Kameltreiber über dessen Kult erzählten, ließ ihn eher erschauern. Dem unerfahrenen Leiter der Expedition schien es schon Strafe genug, dass die Kamelkarawane, die am Ende des Zuges schritt, diesen monströsen Teppich mitschleppen musste, auf dessen Mitnahme die Prinzessin bestanden hatte, obgleich es hieß, dass böse Geister in ihm wohnten.
In der Jurte der Prinzessin hatte ihre Zofe Alais das Schlaflager hergerichtet, obgleich Yeza ihr zu verstehen gegeben hatte, dass sie es vorziehen würde, im Freien zu schlafen. Alais trat hinaus zu ihrer Herrin.
»Auf dem Weg hierher«, brachte sie schüchtern ihr Anliegen vor, »habe ich unweit in einem Felsbecken klares Wasser gesehen -« Yeza nickte zerstreut, sie hatte es ebenfalls wahrgenommen, aber nicht als unverhofftes Angebot der Natur in Betracht gezogen. Ihr eigenes Versäumnis stimmte sie jetzt eher unwillig, doch mit großer Bestimmtheit fuhr Alais fort. »Ich bitte um Eure gütige Erlaubnis, Herrin, noch schnell ein kühles Bad nehmen zu dürfen, denn es ist mir ein inneres Bedürfnis, heute noch meinen Leib zu reinigen.«
Yeza war seltsam berührt von dem feierlichen Ernst ihrer Zofe.
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»Auch ich würde mich gern dort waschen und erfrischen -« Sie sagte das mit Blick auf Khazar, der gerade zusammen mit Baitschu aus der Jurte trat, wo er sich selbst überzeugt hatte, dass alles zur vollkommenen Zufriedenheit der Prinzessin Erforderliche unternommen wurde.
Der für diesen delikaten Transport verantwortliche stämmige Khazar runzelte die Stirn. »Das hieße, Ihr wolltet Euch vom Lager entfernen?!« Jetzt begriff er die Gefährlichkeit des Ansinnens. »Ich bitte Euch inständig, Prinzessin, nicht auf diesem Wunsch zu bestehen!« Alais erntete einen rügenden Blick. »Es verstößt gegen die mir strengstens auferlegte Sicherheit Eurer hohen Person!«
Yeza sah, dass sie dem völlig Überforderten Schwierigkeiten bereitete, das wollte sie nicht. »Meiner Zofe, die ich jetzt entbehren kann«, lächelte sie resigniert, »werdet Ihr solche Säuberung von Schweiß und Staub der Reise nicht verwehren können«, strahlte sie ihren Kerkermeister an. »Ich für meinen Teil gebe ihr Baitschu als
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