Der Kelim der Prinzessin
Hals getroffen und ihn so aufgerissen hatte, dass die Spitze vorne wieder rausschaute.
Der Knabe blickte auf: »Du bist der Trencavel!«
Roc sah ihn erstaunt an. »Wieso hast du überlebt?«, fragte er Baitschu, den er nicht kannte, mit einem Blick auf den toten Khazar.
Der Knabe schien um die Antwort nicht verlegen. »Ich war im Lager bei der Prinzessin Yeza geblieben«, die Erinnerung wühlte ihn jetzt doch auf, »als wir uns schon in Feindeshand sahen«, fass-te er sich kurz, »da erschien Yves der Bretone mit den Templern und jagte sie alle in die Flucht!«
Dass er stolz auf diese Tat seines Freundes war, konnte man deutlich heraushören. Doch darum ging es Roc nicht. »Die Prinzessin war hier?!«, fasste er ungläubig noch einmal nach. »Der Angriff galt also ihr? «
»Ihr und dem Gold!«, bestätigte Baitschu mit jugendlicher Genugtuung, einem berühmten Helden wie dem Trencavel eine so wichtige Auskunft erteilen zu können. »Aber ihr ist nichts geschehen!«, setzte er noch rasch hinzu und schaute Roc treuherzig an. »Ich hätte wahrlich mein Leben für sie gegeben!«, ließ er seinen Helden wissen.
Das rührte Rog. »Wenn du mit uns kommen willst -?«
Baitschu nickte, besann sich aber. »Wenn Ihr mir zuvor helft, Khazar zu begraben«, verlangte er, und das taten sie. Sie trugen den Leichnam hinaus und bestatteten ihn in einer Vertiefung unweit der Ruinen.
Rog überdachte die Lage. Yeza in den Händen der Templer, das bedeutete erst einmal Sicherheit.
Wahrscheinlich hatte der Bretone dafür gesorgt, dass sie in Sidon aufgenommen wurde, denn das war der nächstgelegene Stützpunkt des Ordens, seitdem er Stadt und Burg dem Räuber Julian abgenommen hatte. So wütend er
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auf Julian war, der ihn hintergangen hatte, es erschien ihm unangemessen, jetzt nach Beaufort zurückzureiten und den Schurken zur Rede zu stellen. Er schickte ihm stattdessen die mitgegebenen Strolche zurück, mit dem ausdrücklichen Auftrag, Frau Johanna zu grüßen. Dann ritten sie los.
»Nach Sidon?«, fragte Guy, und Roc musste kleinlaut gestehen: »Es scheint mir das Naheliegendste - «
Aus der Chronik des William von Koebr uk
Yves der Bretone geleitete Yeza und mich wie zwei erbeutete Trophäen in die Stadt Sidon. Es folgten Kamele, die schwer an ihren Kisten trugen, denn deren Anzahl war die gleiche geblieben, die der Lasttiere hingegen bei dem abgeschlagenen Angriff auf das Lager erheblich dezimiert worden. Nachträglich gesehen, war es ein Wunder, dass weder die Prinzessin noch ihr treuer William eine Pfeilwunde davongetragen hatten - doch sollte der Chronist die aufopfernde Tat der guten Alais nicht vergessen, die Yeza - für sein Gefühl - seltsam unberührt weggesteckt hatte.
Der unerwartete Goldsegen wurde von den Ordensoberen der Templer mit größter Selbstverständlichkeit in Empfang genommen und sofort auf ihrer Festungsinsel am Hafeneingang in Sicherheit gebracht. Diese Qal'at al-bahr ist nur über eine äußerst schmale Steinbrücke zu erreichen und gilt als nahezu uneinnehmbar, zumal sie vom offenen Meer her versorgt werden kann. In langer Kette trugen die Kamele ihre kostbare Last zu ihr hinüber. Die Prinzessin wurde hingegen auf der landseitigen Zitadelle untergebracht.
Ich hatte den ganzen Tag geschlafen, als ich gegen Mittag dort Zeuge einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem residierenden Komtur des Ordens mit dem roten Tatzenkreuz auf blütenweißer Clamys und Yves dem Bretonen wurde. Fast gleichmütig, doch nicht ohne den berüchtigten Dünkel der Templer, hatte Marc de Montbard seinen Gast, dem er immerhin viel verdankte, für das
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viele Gold zumindest dankbar sein sollte, wissen lassen, wen er soeben am nahegelegenen Südtor abgewiesen hatte.
»Da verlangte einer Zutritt zur Prinzessin!«, berichtete er voller Häme und Überheblichkeit. »Er sei der Trencavel, behauptete der heruntergekommene Bursche doch glatt!«
Yves hatte - nur für mich merklich - aufgehorcht, verzog aber keine Miene, was den Komtur ärgerte. »Begleitet war er von nicht minder dubiosen Gestalten, darunter einem Knaben, der mir wie ein Mongolenbürschlein vorkam, und einem armseligen Ritter, den unser Orden längst hätte ausstoßen sollen, einem gewissen David von Bosra, der mir sein Ehrenwort anbot, dass dem so sei!«
»Dem war so!«, unterbrach ihn der Bretone ungehalten. »Ihr hättet mich hinzuziehen sollen!«, warf er dem Herrn de Montbard vor, der ihn sofort seinen Hochmut spüren ließ.
»Wie komme ich
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