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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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auch fügsam und gar nicht störrisch an den angewiesenen Stellen nieder. Dann ließ sie sämtliche Zelte niederreißen, sodass sie um uns herum keinem Angreifer mehr Schutz bieten konnten, während alle verfügbaren Bogenschützen hinter dem lebenden Schutzwall Platz nehmen mussten. Gerade wollte ich die eifrige Kommandantin fragen, ob sie denn 385
    das Schlimmste befürchte, als in der Ferne die ersten Schreie laut und vereinzelte Reiter und auch Menschen zu Fuß sichtbar wurden. Nicht zu erkennen, ob Freund oder Feind!
    Es war beides: Die Unsrigen flüchteten in wilder Panik, und die siegreichen Beduinen setzten ihnen nach, hieben und stachen auf die Fliehenden ein, während ein größerer Haufen, offensichtlich unter einem Anführer, der sich hatte durchsetzen können, in geschlossener Formation auf unser Lager losbrauste. Sie näherten sich bereits dem Rande des Kelim, der sich merkwürdig einladend vor ihnen ausbreiten musste - Yeza gab leise das Kommando an die hinter den Kamelleibern kauernden Bogenschützen, die Pfeile aufzulegen - die ersten Mongolen, es waren nur noch wenige, rannten und stolperten bereits über den Teppich auf den rettenden Kamelwall zu, einige unserer Wachen vergaßen die Order der Prinzessin und sprangen auf, um ihren Stammesbrüdern zu helfen - ich musste mit kräftiger Hand Baitschu festhalten und zu Boden drücken, der es ihnen gleichtun wollte -, der feindliche Haufen kam immer näher gedonnert, man konnte schon die von den Hufen hochspritzenden Steine erkennen, die mordlüstern vorgereckten Lanzen, das böse Blitzen der Schwerter, die ersten Pfeile flogen -Alais tat keinen Schrei, ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer Brust, in die das Geschoss eingedrungen war. Sie hatte sich vor Yeza geworfen, die, wütend ihre Befehle schreiend, der heranfliegenden Gefahr keinerlei Achtung schenkte. Der Mörderhaufen hatte den Rand des Kelims erreicht, wir waren verloren!
    Da stockte der Gewaltritt der Räuber, als hätte die unsichtbare Hand Gottes ihnen vor die Brust geschlagen, ihre Pferde bäumten sich auf, die Nachdrängenden konnten die ihren nicht mehr zügeln, es war, als würde der Teppich den plötzlichen Stau verursachen, mein Blick irrte ungläubig über den mit dem Blut Getöteter, kriechender Verletzter besudelten Kelim - da sah ich die Hand Gottes: Zur Rechten wie zur Linken wuchsen wie schweigende Mauern aus den felsigen Hügeln die stählernen Flanken eines gewaltigen Ritterheeres. Blutrot leuchtete das Tatzenkreuz auf den schneeweißen Clamys: die Templer!
    Sie hatten ihre langen Lanzen nicht einmal eingelegt, sondern
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    ließen sie noch senkrecht über ihren Kübelhelmen in die Morgenluft ragen. Doch ihr Anblick genügte. Der Räuberhaufen löste sich auf, stob in wirrer Flucht auseinander.
    Ein einzelner Ritter trat mit seinem Rappen aus der sich öffnenden Mauer. Ich erkannte ihn sofort an seinem breiten Schwert. Yves der Bretone hatte die Truppen des Ordens aus Sidon herbeigerufen.
    »Gerade noch rechtzeitig!«, wie Yeza mit fast eisiger Stimme vermerkte, was mich seltsam berührte, denn in ihren Armen starb die liebevolle, weichherzige Alais. Yezas Blick verschleierte sich wie der der Toten, als Yves langsam auf uns zukam. Gottes Hand war keine Faust, zwischen seinen Fingern blieb immer noch Raum für das Schicksal einzelner Menschen. »Amen!« Ich verschloss behutsam die gebrochenen Augen. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich Baitschu nicht mehr erblickte, der bis dahin nicht von der Seite der beiden Frauen gewichen war. Gab sich der Knabe Schuld an dem plötzlichen Tod der jungen Zofe?
    VON WEITEM ERBLICKTEN SIE schon die Geier, die am mattblauen Himmel kreisten, dort wo sich die
    Ruinen von Baalbek erheben mussten. Roc Trencavel trieb unwillkürlich die Seinen zur Eile an. Keiner von ihnen verlor ein Wort über das üble Zeichen, zumal es zwar das Vorhandensein von Leichen ankündigte, aber völlig im Ungewissen ließ, wer die Opfer waren. Die Tempel waren kaum in Sichtweite, da stießen sie auf die Reste des verwüsteten Lagers der Mongolen, niedergerissene Zelte, einen einzelnen Karren mit einer leeren Jurte, die Kadaver von einigen Kamelen, in denen noch die Pfeile steckten, weswegen man ihnen dann wohl die Halsschlagadern durchschnitten hatte. Unmittelbar davor breitete sich der Kelim, blutbefleckt, ein paar verstreute Waffen, aber keine Toten. Roc wollte sich gerade abwenden, da ertönte vom Rande des Teppichs eine röchelnde Stimme.
    »Wasser!« Sie fanden den

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