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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Sterbenden zwischen offensichtlich frisch aufgeworfenen mannslangen Erdhügeln. Es war einer der
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    fünf armenischen Ritter, die König Hethum dem Trencavel in Antioch beigesteuert hatte und die ihn nach dem Desaster von Damaskus verlassen hatten.
    David der Templer beugte sich nieder und flößte dem Todgeweihten etwas Nass aus seinem Beutel ein.
    »Wer?«, fragte der trotz Schauderns neugierige Pons, und der Armenier rang nach Worten.
    »Terez de Foix!«, stieß er mit letzter Kraft aus, es war wie ein erleichterter Seufzer, und sein Gesicht fiel in den Staub.
    »Also war Julian von Sidon vor uns hier?!«, kam David die späte Erkenntnis.
    Roc nickte. Sie bedeckten den toten Ritter mit Sand und Steinen, gleich dort, wo er lag. Von den bereits vorhandenen, anscheinend eilig aufgeworfenen Grabhügeln schmückte nur einen eine Art Kreuz. Ein farbiges Band hielt die beiden Zweige zusammen, seine Enden flatterten im Wind. Plötzlich fiel Guy de Muret vor dem Grab in die Knie, schloss die Augen und führte zitternd das Seidenband an seine Lippen.
    »Alais?«, flüsterte Pons teilnehmend, ihm kamen die Tränen.
    Guy de Muret erhob sich langsam, sein Blick suchte den Trencavel. »Das Königliche Paar bringt Glück und Frieden!«, stellte er trocken fest. Sein Sarkasmus schien ungebrochen. Er war der Erste, der wieder sein Pferd bestieg. Die Strolche, die ihnen seit Beaufort auf Geheiß des Herrn Julian folgten, waren gar nicht erst abgesessen.
    Roc warf einen letzten hasserfüllten Blick auf den Kelim, den er endgültig nie mehr wieder zu sehen wünschte -
    es zu schwören, wagte er nicht! Dieser schreckliche Teppich brachte wahrlich allen Menschen, die mit ihm in Berührung kamen, nichts als Verderben! Presste sich dieser verdammte Kelim nicht auch immer wieder zwischen ihn und Yeza - wie ein höhnischer, breitarschiger Fürst der Finsternis -, oder verknüpfte er sie auf eine unheimliche Weise, aus der es kein Entkommen gab?
    Roc versuchte die auf ihn einstürmenden Gedanken einfach abzuschütteln, es gelang ihm nicht. Wütend wollte er auf den Teppich spucken, aber der Wind wehte seinen Auswurf in den Sand,
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    auf die Gräber. Erschrocken wandte er sich ab. Dann ritten sie zu den Ruinen.
    Je näher sie Baalbek im goldleuchtenden Licht der Nachmittagssonne kamen, desto mehr Leichen lagen zwischen den Steinen verstreut, aber immer nur Mongolen. Ihre eigenen Toten hatten die Angreifer mit sich genommen - oder gab es keine? Roc und sein kleiner Haufen drangen in die Ruinen ein. Mit empörtem Kreischen und wildem Flügelschlagen erhoben sich die in ihrem unappetitlichen Mahl gestörten Geier. Die Treppenstufen, die zum Haupttempel hinaufführten, waren besät mit den Körpern toter Mongolen, auffallend war, dass ihnen nicht nur Pfeile in der Brust staken, sondern auch zwischen Schulterblättern, im Rücken - oft auf beiden Seiten. Dem Trencavel und seinem Gefolge blieb keine Zeit, sich über den Ablauf des mörderischen Geschehens den Kopf zu zerbrechen, - offensichtlich waren die Mongolen in eine Falle gestürmt, aus der es für sie kein Entrinnen mehr gab. Denn als sie die oberste Stufe erreicht hatten und zwischen den mächtigen Säulen das Innere des Tempels erblickten, stockte ihnen der Atem: Inmitten des Heiligtums, dicht zusammengedrängt oder, genauer gesagt, auf einen Haufen geworfen, erhob sich vor ihnen ein Leichenberg. Mit blutigen Schnäbeln und Hälsen fuhren die Geier auf, die auf die Übereinanderliegenden einhackten. Fast allen hatte man die Kehlen durchgeschnitten oder sie sonst wie niedergemetzelt.
    »Unfasslich!«, sagte der erschütterte David. »Was mag die Mongolen getrieben haben, sich in solcher Weise hier abschlachten zu lassen - und das ohne jede Gegenwehr!«
    Guy de Muret, der sich die Toten genauer ansah, konnte ihm nicht widersprechen. »Ihrer Waffen hat man sie nicht beraubt.« Denn in der Tat zwischen den Körpern staken noch etliche Spieße, viele Fäuste hielten noch das Schwert umklammert. »Eine teuflische Falle, in die sie Mann für Mann vertrauensvoll gerannt sein müssen!«
    »Lasst uns gehen!«, jammerte Pons. »Ich ertrage diesen Anblick nicht länger!«
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    Als Roc die Stufen auf der Stirnseite wieder hinabschritt, sah er den Knaben. Baitschu hockte vor seinem erschlagenen Vetter Khazar, den er an eine Säule gelehnt hatte, als wolle er mit ihm sprechen. In Khazars Herz steckten gleich zwei Pfeile, doch das Blut auf seiner Brust stammte von dem, der ihn von hinten in den

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