Der Kelim der Prinzessin
an der Reihe - und keiner wird uns helfen!«
Das einsetzende Schweigen war so bedrückend, dass es mehr um Wahrung der Form ging, als der Vorsitzende Bailli jetzt die Frage stellte: »Wer stimmt für eine militärische Unterstützung?« Es hob sich keine Hand. »Also«, ließ sich Gottfried von Sargines erleichtert vernehmen, »die Gesandten können jetzt wieder vor uns erscheinen, und ich werde ihnen das Ergebnis unserer Entscheidung mitteilen.«
Dagegen erhob sich kein Einwand, und es wurden die Saaldiener hinuntergeschickt, die Herren aus Kairo vor den Kronrat zu bitten.
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ROC TRENCAVEL UND SEINE GETREUEN waren unschlüssig weiter auf dem Höhenzug gen Süden
gezogen, der ihnen die Möglichkeit gab, sich vor den Blicken jener zu verbergen, denen sie nicht begegnen wollten. Wobei der Trencavel sich keine Rechenschaft darüber ablegte, wen er eigentlich fürchtete, wahrscheinlich lief er sich selber davon, doch diese Erkenntnis blieb Roc verschlossen. Die Anwesenheit von Baitschu, dem seine Eskorte wie ein Rudel gut dressierter Hirtenhunde folgte, gemahnte ihn ständig daran, dass es das Vernünftigste sein würde, wenn er sich dem ihm wohlgesonnenen Kitbogha stellte, doch Roc sah darin das Eingeständnis einer Niederlage, seiner Unfähigkeit, Yeza ohne das Mitwirken der Mongolen zu erreichen, sich endlich wieder mit ihr zusammenzutun. Wollte er sie eigentlich finden? Der Weg, den er ging, konnte ihn wohl kaum zu ihr führen, ganz gleich, in wessen Händen sie sich befand. Den hier oben in den letzten Ausläufern des Libanon gelegenen Burgen, wie Toron oder Montfort, waren sie ausgewichen, außer ein paar Hirten niemandem begegnet. Das ständige Schwanken zwischen Sich-Verstecken und zielloser Suche machte keinen Sinn, sein Verhalten war kindisch, jedenfalls eines Mannes oder gar Herrschers nicht würdig. Roc befahl einen Halt. Von hier oben hatten sie einen guten Blick über das Jordantal. Die Gefährten lagerten sich um ihn herum, die Mongolen etwas abseits. Der Trencavel spürte, dass sie alle von ihm eine Entscheidung erwarteten, das war auch ihr Recht, doch er hüllte sich in düsteres Schweigen. Da zerrte Pons ein abgeschabtes pralles Säckchen aus seiner Satteltasche, und Guy de Muret lästerte sogleich: »Da schleppt unser Dicker doch tatsächlich noch immer das Wesen-Spiel mit sich herum!«
Pons ließ sich nicht beirren, er öffnete den Sack und kippte die farbigen Stäbchen mit ihren magischen Symbolen und Fabelwesen zwischen den Sitzenden auf die Decke, die sie ausgebreitet hatten. Roc sah zu Terez hinüber, dessen Einverständnis ihm am wichtigsten war, doch der hob nur kritisch die Augenbraue.
»Warum nicht?!«, gab sich Roc trotzig. »Lasst mich Euer vierter Mann sein!«
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Einträchtig errichteten sie zügig die Pyramide. Pons de Tarascon ließ sich das Austeilen der Stäbchen nicht nehmen.
»Lasst uns offen spielen!«, schlug er seinen Gefährten vor. »Es ist zu wichtig!«
Terez nahm jeden Stein, den er erhielt, einzeln in die Hand. »Irgendwie von Bedeutung muss es wohl sein!«, sann er, immer noch zweifelnd. »Da nun nicht nur unser König Rog, sondern auch ich - sein Erster Paladin - sich der okkulten Macht des Hermes Trismegistos ausliefern!«
»Wir unterwerfen uns nicht!«, protestierte Pons. »Der Trencavel und seine drei Okzitanier fordern ihr Schicksal in die Schranken!«
»Von mir aus«, erklärte Guy de Muret und betrachtete aufmerksam die zwölf Zeichen, die inzwischen jeder vor sich liegen hatte. »Wenn es auch noch nichts besagen will, ist es doch wie ein Wink mystischer Bestimmung, dass bereits einem jeden von uns eines jener seltenen Fabelwesen zugewiesen wurde: Rog der Phönix aus der Asche, Terez - man sollte es nicht vermuten! - das Meeresungeheuer, die Seeschlange, und meinem dicken Pons
- ebenso erstaunlich! - der Salamander, dem das Feuer zum Element geworden ist -« Er wies auf seine eigenen Steine. »Mir begegnet das Einhorn, und es scheint sich wohl zu fühlen, denn es befindet sich in vertrauter Gesellschaft von Saturnus, Mond und Terra!«
»Und wie verträgt sich das dunkle Tier, das wohl die Abgründe meiner Seele bewacht, die Untiefen unter schimmernder Oberfläche, mit der auffälligen Anhäufung von Jupiter und vielen Sonnen?«, verlangte Terez scherzhaft zu wissen, er dachte nicht im Traum daran, das Spiel ernst zu nehmen.
»Brillant, mein lieber Herr de Foix, in Eurem nächsten Leben werdet Ihr nicht wieder als Bastard zur Welt kommen, sondern als
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