Der Kelim der Prinzessin
Herrscher!«
Darüber lachten alle, nur Rog nicht. »Ich weiß von der Eifersucht des höchsten Zeus auf das >Große Licht<«, belehrte er seine Mitspieler, die solche mythologische Kenntnis bei ihm nicht vermutet hatten. »Mich bekümmert jedoch der ominöse Vogel, der erst verbrennen muss, um wiederzuerstehen!«
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»Stellt Euch einfach vor, Rog Trencavel, es sei der Greif, und erwählt Euch den zum Wappen als kämpferischen Herrn der Lüfte«, sprach ihm Terez Trost zu, »und erfreut Euch der Frau Venus, die ich bei Euch sehe.«
Alle schauten auf Rogs Stäbchen, wo sich die Göttin der Liebe in mannigfaltiger Gestalt, Aer und etliche feurige Sonnenzeichen ein vielversprechendes Stelldichein gaben.
»Und was wird aus mir?«, beklagte sich Pons mit kindlicher Stimme. »Was mach' grad' ich mit dem
kriegerischen Mars und dieser Feuerechse?!«
»Dazu passen doch deine Drachen Caput et Cauda draconis, mein Kleiner!«, munterte ihn sein Kumpan Guy de Muret auf. »Und Frau Luna lässt dich auch nicht verkommen! Die Mondsicheln halten dein Gefühlsleben im Gleichgewicht.« So zupften sie in seltener Eintracht immer neue Stäbchen aus der Pyramide, warfen die von sich, die ihnen nicht behagten, oder schoben sie gleich demjenigen hin, von dem sie nicht nur annahmen, sondern gleich lautstark behaupteten, er könne, nein, er müsse diesen bestimmten Stein in sein Spiel einfügen!
Doch dann zog der Trencavel, der die heitere Aufgeregtheit seiner Gefährten nicht teilte, sondern immer nachdenklicher wurde, plötzlich den Lapis ex coelis, das Höchste Wesen, und brachte sein Spiel mit diesem
>Stein der Weisen< zum unerwarteten Abschluss. Er konnte es selbst nicht fassen, aber alles ging mit einem Male auf. Als Geschenk des Himmels mochte Rog es nicht empfinden, eher auf eine fast unheimliche Weise leicht, federleicht!
Doch bei den anderen löste Rogs überraschender Sieg Betroffenheit aus, als wäre das Ergebnis nicht mit rechten Dingen zustande gekommen. Guy, der inzwischen von den Verbliebenen die größte Erfahrung in der Auslegung der Spielergebnisse besaß, nahm die Sache mit Sarkasmus. »Bis auf unseren Trencavel«, begann er die Deutung,
»der sich Sol invictus - in gefährlicher Nähe zu dem ambiguen Hermes Trismegistos - zugelegt hat, sind wir anderen allesamt dem Lunaren verfallen, ob nun in den Marskomponenten, dem langen Schwanz des Drachen, Jupiter oder Saturn.« Er schaute die Freunde prüfend an. »Genau genommen
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ist das - zusammen mit dem evidenten Gott des Krieges und der dunklen Seite des Mercurius - die Konstellation der vier apokalyptischen Reiter - «
»Frage ist nur«, unterbrach ihn trocken Terez, »wem bringen sie Tod und Verderben?«
Dieses Bild verschlug ihnen die Sprache. In das Schweigen hinein platzte schließlich Pons. »Ich fürchte mich!«
Das lockerte unfreiwillig die gedrückte Stimmung.
»Auf jeden Fall«, scherzte Terez, dem Dicken tröstlich auf die Schulter klopfend, »werden wir unserem Schicksal - so scheint es mir - gemeinsam begegnen und es miteinander meistern!«
»Kommt es da unten schon angeritten?« Guy de Muret zeigte belustigt hinab ins Tal. Auf der
gegenüberliegenden Seite des Flusses war jetzt deutlich eine nicht enden wollende Staubwolke zu erkennen, aufgewirbelt von Tausenden von Pferdehufen. Manchmal, wenn die Sonne auf blanken Stahl traf, blitzte es auch auf, zu hören war auf die Entfernung nichts.
»Das Heer meines Vaters!«, rief Baitschu stolz, auch seine Eskorte war aufgesprungen und starrte begeistert auf das Schauspiel.
Der Trencavel musste zu einem Entschluss kommen, er wandte sich an die Mongolen. »Warum reitet ihr nicht hinüber und richtet dem verehrten Kitbogha aus, dass Roc Trencavel bereit ist, sich ihm anzuschließen - und sich mit der Prinzessin, die er mit sich führt, zum Königlichen Paar zu vereinen?« Dabei wusste Roc von Baitschu, dass dem eher nicht so war und dass Yeza wahrscheinlich in der Hand der Templer - doch auch die Eskorte reagierte unwillig.
»Der uns erteilte Auftrag lautet«, erkärte ihr Anführer starrsinnig, »Baitschu, den Sohn unseres Oberkommandierenden, zu seinem Vater zu begleiten.« Er holte Luft, um sich Mut zu machen. »Wenn Ihr Baitschu hergeben - «
»Nein!«, rief der Knabe. »Ich bleibe bei Roc Trencavel!«
Terez de Foix schlug eine Lösung vor. »Zwei oder drei von Euch«, hielt er sich an den Anführer der Eskorte,
»schickt Ihr jetzt mit der Nachricht los, und sagt auch, dass sein tapferer
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