Der Kelim der Prinzessin
Wenn
Dungai an das ungezügelte Auftreten der Seldschuken direkt vor seiner Nase dachte, sah er eher größte Schwierigkeiten für seine Mission auf sich zukommen. Denn die ungebärdigen Prinzen hatten damit begonnen, Scheinattacken auf entgegenkommende Händlerkarawanen zu reiten, bei denen ihr Gefolge sie johlend bejubelte, wenn eines der Lasttiere verschreckt ausbrach und in die steinige Wüste flüchtete, wo die Treiber es mühsam wieder einfangen mussten. Auch Hirten mit ihren Herden, die der wilde Haufen überholte, mussten um das Leben ihrer Tiere fürchten, wenn sie voller Angst auseinander stoben. Hauptmann Dungai brachte ärgerlich seine Mannen auf schnelleren Trab, um den Abstand wieder aufzuholen. So stob die Kavalkade staubaufwirbelnd dahin, auf Palmyra zu ...
Sybille, die Fürstin von Antioch, hatte ihrer jüngeren Schwester Johanna, verheiratet mit dem Herrn Julian von Sidon und Beaufort, einen Besuch abgestattet. Ein besonderer Anlass dafür lag nicht vor, noch herrschte besonders innige Schwesternliebe zwischen den beiden Töchtern Hethums, des Königs von Armenien. Der ei-143
gentliche Grund bestand einzig und allein darin, dass die mit Ende zwanzig schon nicht mehr zur knospenden Jugend zählende Sybille sich an der Seite ihres wesentlich jüngeren Gatten Bohemund entsetzlich langweilte.
Somit war ihr jeder Vorwand recht, auf Reisen zu gehen, denn das erlaubte ihr, die kühnsten Ritter des Fürstentums als Begleiter zu erwählen und sich in Abenteuer zu stürzen. Zu den edlen Herren aus dem Süden Frankreichs musste sie bald auch Guy de Muret rechnen. Der Dominikaner hatte sich Sybille ursprünglich als Beichtvater angedient, aber mehr und mehr traten bei Guy recht weltliche Neigungen zutage. Eines Tages, zurückgekehrt von längerer Pilgerreise in den Süden, behauptete er, der ehrwürdige Patriarch von Jerusalem habe ihm in eigener Person Dispens erteilt, das Kreuz mit dem Schwert zu vertauschen. Guy de Muret gesellte sich zu seinen Landsleuten aus Okzitanien, übte sich im Waffenhandwerk, stellte ihrer Kammerzofe Alais nunmehr ohne jede Scham nach und vernachlässigte zusehends sein geistliches Amt zur Gänze. Sybille war es nicht einmal unrecht, solange die Form gewahrt blieb. Sie hatte nichts zu beichten! Schon gar nicht ob des Umstandes, dass die heißblütige Fürstin diesmal auf einen dieser Okzitanier ihr vor ungestillter Leidenschaft glühendes Auge geworfen hatte.
»Die armenische Sybille hat Feuer unterm Arsch!«, wie Guy de Muret, der streitbare Dominikaner, grinsend zum dicklichen Pons de Tarascon bemerkte, als der Dritte in ihrem Bunde, sicher der stattlichste und die anderen auch um Hauptes Länge überragende Terez de Foix, im Zelt der Fürstin verschwand.
»Denn nichts geht der Dame über den Dienst am vorderen Ofenloch!«, schnalzte sein Kumpan Pons fast neidisch, war er doch noch nie zum Beschicken des Feuerofens aufgefordert worden. Auch der drahtige Dominikaner, ein spitznasiges Fuchsgesicht, konnte sich nur auf seine blühende Phantasie stützen, denn die mitreisende Alais, mit der er gern im heimlichen Konkubinat gelebt hätte, diente der Fürstin als Hofdame und Zofe. Das schloss auch ihn von jeder handfesten Erfahrung als williger Heizer aus, schon ein solches Ansinnen hätte bei der milden und tugendhaften Alais einen denkbar schlechten Eindruck hinterlassen. Allerdings 144
hatte auch Sybille nie erwogen, die Dienste dieser beiden in Anspruch zu nehmen. Ihr reichten die Darbietungen von Terez voll aus, schließlich hatte sie mit Bedacht dessen Frau Berenice, vom Rang her ihre Erste Dame, in Antioch zurückgelassen, damit sich der Herr de Foix durch nichts abgelenkt oder gar gehemmt erweisen sollte.
Die kleine Reisegruppe bewegte sich - unter weiträumiger Umgehung von Damaskus - auf wenig benutzten Karawanenwegen gen Norden, denn man wollte es vermeiden, den Mongolen in die Arme zu laufen, und die Fürstin war sich nicht sicher, ob ihr traniger Dickkopf von Ehemann bereits dem Il-Khan gehuldigt hatte, wie sie ihm dringend vor ihrer Abreise ans Herz geigt hatte. Es hieß, die Mongolen stünden bereits vor den Toren der syrischen Hauptstadt, also hatte sich Sybille mit ihrem Favoriten dahingehend beraten, dass sie, quasi querfeldein, in der eingeschlagenen Richtung weiterziehen würden, bis sie auf die berühmte Handelsstraße von Palmyra stoßen würden. Dann sei man weit genug im Rücken der lästigen Mongolen und könnte auf diesem Weg unbehelligt über Homs zur
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