Der Kelim der Prinzessin
verurteilt zu sein, das wollten die neuen Freunde nicht hinnehmen.
»Dann reiten wir ihr entgegen!«, verkündete Pons seinen Taten-
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drang. »Wenn wir davon ausgehen«, fasste Terez zusammen, »dass die Prinzessin auf keinen Fall zu den Mongolen -«, und verfiel dann ob der dürftigen Lage an weiteren Informationen ins Brüten.
»Vielleicht sollten wir unsere Weiber um Rat fragen«, schlug Pons vor. Er hatte als Witwer gut reden, und so ging auch keiner darauf ein.
Berenice und Alais versahen ihren Dienst bei der Fürstin. Guy de Muret hatte die Frau seines Freundes Terez de Foix am Morgen zum Schloss begleitet. Einer von ihnen, das war so ausgemacht, begab sich jeden Tag >zu Hofe<, um - stellvertretend für die anderen - Fürst Bohemund die Referenz zu erweisen und sich seiner Huld zu versichern.
Reiter hielten am Fuße des Turmes. Ein Blick hinab zeigte, dass der Fürst sie mit seinem Besuch überraschte, Terez und Pons sprangen auf, Rog erhob sich gemächlich, aber immer noch rechtzeitig, um den die Treppe hinaufstürmenden Bohemund wortlos umarmen zu können. Lange dauerte die Umarmung, die mehr Fragen stellte als Antworten gab. Endlich löste sich der Fürst und sagte nur: »Und Yeza?!«
Seinen Ärger schluckend, ging Roc darauf ein. »Wenn Ihr, werter Bruder, die drei Herren hier entbehren wollt«, seine Gestalt straffte sich, »dann werde ich mich auf die Suche nach meiner geliebten damna machen!«
Der junge Fürst fackelte nicht lange. »Ich geb' Euch noch zehn Ritter obendrein, Roc Trencavel, samt Pferden und Knechten, damit Euer - unser aller Sehnen von Erfolg gekrönt wird.« Bohemund war weitaus mehr gerührt von der eigenen großmütigen Geste als etwa der unverhofft Beschenkte. »Ich wollte, meine Pflichten gäben mir die Freiheit, mit Euch auszuziehen zu dieser noblen Campagne!« Um sein feuchtes Auge zu verbergen, riss er den Trencavel stumm an sich, drehte sich um und stapfte die Treppen wieder hinunter.
Rog sah ihm nach. »Wie schön, wenn man so aus dem Vollen schöpfen kann«, murmelte er missgünstig. »Es scheint, der edle Fürst kann uns gar nicht schnell genug wieder loswerden!«
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Terez und Pons vernahmen beklommen diesen Ausbruch der Undankbarkeit und schauten angestrengt zum Fenster hinaus. Dabei hatte der Trencavel nicht Unrecht, in der Tat fühlten sie sich hinausgeworfen!
Kurz darauf erschien Guy de Muret. »Der König von Armenien legt noch fünf Reiter oben drauf, die mit Euch ziehen sollen«, informierte er Roc, »dafür verlangt er, dass Ihr morgen Früh Antioch verlasst.« Während Rog noch schluckte, fuhr der Fuchs ungerührt fort. »Die Fürstin Sybille lässt Euch ausrichten, dass solche Eile, wie sie ihr Herr Vater an den Tag lege, für die Nacht - « Guy zwinkerte dem Trencavel auf recht eindeutige Weise zu, »- und auch die nächsten Nächte nicht gelte. Sie erwartet Euch in ihren Gemächern!« Jetzt war es an Rog, den schadenfroh grinsenden Blicken der Okzitanier auszuweichen. Guy brachte seinen Auftrag zu Ende. »Fürst Bohemund bittet uns alle, in einer Stunde im Schlosshof zu erscheinen, damit er sich von uns, und vor allem von Euch, Rog Trencavel, verabschieden kann. König Hethum liegt daran, den bereits eingetroffenen Abgesandten der Mongolen zu zeigen, dass Antioch ihrer Aufforderung zur Huldigung größte Dringlichkeit beimisst.«
Rog hatte sich alles angehört. Ob er wollte oder nicht, ab jetzt musste er Führung beweisen.
»Ziemlich viel auf einmal!«, seufzte er und sehnte sich nach dem warmen Fleisch der armenischen Sybille. Doch dann raffte er sich auf zum tatkräftigen Helden, der von ihm erwartet wurde. »Packt Eure Sachen«, befahl er forsch, »und macht Euch bereit zum Ausritt ins große Abenteuer!«
YEZA HATTE IHR KAMEL gegen ein Pferd eingetauscht. Der Tod der beiden Prinzen hatte ihr sogar die Wahl zwischen deren edlen Hengsten gelassen. Niemand hatte ihr den Zugriff verweigert. Für die Seldschuken, die die Söhne ihres Sultans bis zum bitteren Ende begleitet hatten, war Yeza die einzig rechtmäßige Nachfolgerin -
quasi die Witwe beider. Der alte Fechtmeister Rhaban hatte ihr als Erster gehuldigt,
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kaum, dass Alp-Kilidsch und Kaikaus von ihren Getreuen zur letzten Ruhe gebettet waren. An die Gestade des Euphrat zurückzukehren, schlug niemand vor - alles, was sich dort abgespielt hatte, sollte der Vergangenheit angehören, insbesondere der blutbefleckte Kelim, den keiner mehr anfassen wollte. Sie ließen ihn einfach
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