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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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liegen.
    Yeza, die an der Spitze des kleinen Trupps ritt, war das nur recht. Sie hätte auch nie die Sprache auf die drei Köpfe im Ufersand gebracht, aber der leicht versetzt hinter ihr reitende Fechtmeister glaubte, seiner neuen Herrin eine Erklärung schuldig zu sein. Yeza ließ ihn berichten, ohne besonderes Interesse zu heucheln. Rhaban fasste sich kurz. Die Nomaden vom Stamme der Seldschuken, deren Tiere die Teppichrolle getragen hatten, erkannten beim Aufeinandertreffen mit den Prinzen sogleich in Alp-Kilidsch und Kaikaus die Söhne ihres Sultans. Auf rüdes Befragen des sofort in Fesseln geschlagenen El-Aziz kam schnell heraus, dass es dem Sohn des Sultans von Damaskus weniger um den Kelim ging als um die noch erwartete >Prinzessin<, die er am jenseitigen Ufer des Euphrat zurückgelassen hatte. Da El-Aziz feige verweigerte, für seine Dame sich mit einem von ihnen zu duellieren, aber ein Wort das andere gab, entbanden die Söhne des Sultans die Seldschuken von ihrer eingegangenen Treuepflicht, sodass diese keinen Finger rührten, als jetzt das Gefolge sich den Schwächling griff. Seine zwei Begleiter, wohl sein Leibkoch und der Eunuch, wurden gezwungen, ihren Herren lebend bis zum Hals einzugraben.
    »Bevor ihnen selbst die Köpfe abgeschnitten wurden -«, beendete der Fechtmeister ungerührt seinen Bericht,
    »damit sie ihm als Begleiter dienten, auf seinem qualvollen Weg in den Tod, der ihn sicher bald ereilen wird.«
    Yeza schauerte, aber nichts sollte sie dazu bringen, sich nochmals in die Nähe des Kelims zu begeben. Rhaban respektierte ihr Schweigen, doch irgendwann musste er ihr die Frage stellen, welches denn das Ziel sei, das sie zu erreichen trachte. Das waren auch genau die Gedanken, die Yeza durch den Kopf gingen. Sie wollte sich mit Roc vereinigen. Der einzige Anhaltspunkt, den sie hatte - wenn er nicht zu den Mongolen zurückgekehrt war -, blieb Antioch. Dort hatten sie beide einen Freund in dem jungen Fürs-164
    ten Bohemund, mit dem sie einst Blutsbrüderschaft geschlossen hatten.
    Alle diese Fragen erübrigten sich kurz darauf, sie näherten sich bereits der Oasenstadt Palmyra, als ein ungeordneter Trupp von Kamelreitern ihnen säbelschwingend und fahnenschwenkend entgegenkam. Die
    Beduinen hegten mitnichten feindliche Absichten, im Gegenteil: Sie zügelten plötzlich ihre Tiere, und ein einzelner kleinwüchsiger Mann löste sich aus ihrer Mitte und stolperte wild mit den Händen fuchtelnd auf Yeza zu.
    »Oh, meine große, einzige Liebe!«
    Es war Jalal al-Sufi, der verrückte Derwisch! Wie lange hatten sie sich nicht gesehen!?
    »Der ständige Gedanke an Dich, grad' er war es, der mich fern von Dir gehalten!«
    Wie lange hatte er Yeza nicht mit seinen stets griffbereiten Versen des großen Jalaluddin Rumi beglückt!?
    »Vor meinen Augen stets das Bild Deines Antlitzes, wie blind hat es mich gemacht!«
    Der kleine Derwisch, dem das Alter nichts anzuhaben schien, hüpfte aufgeregt ihrem Pferd vor die Hufe, dass es wiehernd sich auf den Hinterläufen erhob, was Jalal al-Sufi nicht im Geringsten beeindruckte.
    »Volltrunken ist der Liebende vor Lust und Wonne - Frei ist er und wie von Sinnen! Hingegeben tanzt er in wilder Leidenschaft und berauschter Wildheit!«
    Yeza hatte ihre liebe Müh, den Schwall an poetischen Ergüssen abzuwehren, sie sprang von ihrem Pferd und umarmte den Kleinen. Endlich wieder ein bekanntes Gesicht und eine Person, der sie vertrauen konnte! Fragend deutete sie auf die festlich gestimmte Beduinenmeute hinter dem Derwisch. Atemlos berichtete Jalal al-Sufi.
    Ein Trupp Mongolen, eine Hundertschaft, sei in Palmyra erschienen und habe nicht nur die Unterwerfung verlangt, sondern auch Geiseln, die ihnen ins Feldlager des Il-Khan folgen sollten. Das erregte sowohl den Unmut der Derwische, die in der reichen
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    Oase die geistige und weltliche Führungsmacht darstellten, sondern kränkte auch den Stolz der freien Beduinenstämme, die ringsherum als Nomaden hausten, dort ihre Märkte abhielten und sich als
    Karawanenführer verdingten. Doch ehe es zum Aufstand kam, erschien aus dem Nichts ein Schamane, eine merkwürdige Gestalt, begleitet von einem Bären. Dem sei es mühelos gelungen, die erhitzten Gemüter zu beruhigen, die Mongolen akzeptierten ihn als Botschafter und zogen befriedigt mit ihm und einer mit kostbaren Geschenken versehenen Gesandtschaft ab. Doch zuvor hatte dieser weise Mann, der sich Arslan nannte, ihm, Jalal, noch einen wertvollen Hinweis gegeben: Palmyra

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