Der Kelim der Prinzessin
Pferde bepackt - offensichtlich zur alsbaldigen Abreise bereitstanden. Er winkte Guy de Muret zu sich und schlug ihm mit falscher Freundlichkeit vor, sie könnten doch den ersten Teil des Weges zusammen reiten. Sofort mischte sich Terez de Foix ein, der den Armenier nicht leiden konnte, erstens wolle man sich erst noch gen Osten wenden, um nach der Prinzessin Yeza Ausschau zu halten, und zweitens könne sein Weib Berenice mit Fug und Recht von ihm erwarten, dass er die letzte Nacht mit ihr verbrächte. Das leuchtete Hethum zwar nicht im Geringsten ein, denn er konnte nicht verstehen, was der doch recht ansehnliche Ritter an einer solch hageren Ziege finden mochte, denn so sah Herr Hethum die - zugegebenermaßen - etwas knochige, männlich wirkende Hofdame seiner Tochter. Diese flachsblonde Amazone! Nicht einmal ein ordentlicher Steiß, auch ihre flache Brust hätte ungepresst unter jeden Kürass gepasst! Wie dem auch sei, andere drängten herbei.
Den Trencavel hatte der König aus den Augen verloren.
Die Fürstin Sybille stand am Fenster ihres auf den Hof hinausgehenden Schlafgemachs, das hatte sie ihrem Mann versprochen, um
168
mit einem Tüchlein zu winken, wenn er durch das Tor hinausritte. Sie sah, wie die Ritter jetzt ihre Pferde bestiegen und wie die schweren Flügel des Tores weit geöffnet wurden. Sybille lehnte sich über die Brüstung und zog das Tüchlein. Ihr Mann schaute zu ihr auf und grüßte sie voller Stolz. Die ersten Ritter zogen an ihrem Fürsten vorbei, Frau Sybille winkte - sie spürte, wie eine kräftige Männerhand von hinten ihr Gewand hochstreifte, das Fleisch ihrer Schenkel dabei begehrlich anpackte -
»Winkt«, befahl ihr Roc, hinter sie tretend. »Winkt nur weiter!«
Sybille beugte sich weit vor und wedelte beglückt mit dem Tüchlein.
»Schaut nur, Euer treues Weib!«, hielt König Hethum seinen Schwiegersohn an, noch einmal einen Blick zurück, hinauf zum Fenster zu werfen.
»Grausam ist ihr Schmerz, mich so lange missen zu müssen!«, pflichtete ihm Bohemund mit stolzgeschwellter Brust bei, erhob sich in seinen Steigbügeln und winkte heftig gestikulierend zurück. Sybille musste es gesehen haben, denn sie breitete jetzt beide Arme aus, als wollte sie ihn ein letztes Mal umfangen. Bohemund richtete männlich seinen Blick nach vorn, das Schloss und seine Fenster entschwanden aus seinem Blickfeld.
169
DAS ZERBRECHLICHE GLÜCK VON PALMYRA
DIE URALTE HANDELSSTADT PALMYRA, inmitten der
nordsyrischen Wüste gelegen, präsentierte sich Yeza als eine bizarre Anhäufung von Tempelruinen und säulenbestückten Kolonnaden, die vom ehemaligen Reichtum und Luxus zeugten. Die eigentliche Oase, mit ihrem belebten Bazar immer noch Schnittpunkt wichtiger Karawanenstraßen, hatte sich rund um diesen Bezirk bröckelnder Schönheit und versunkener Macht ausgebreitet, ihn aber respektvoll unangetastet gelassen. Hier hausten die Derwische in den beiden noch einigermaßen erhaltenen Heiligtümern des Gottes Baal und der Alilat, streitbare Schutzherrin der Weisheit und des Handels. Gleich daneben erhob sich der >Palast< jener heißverehrten Königin Zenobe, die es gewagt hatte, den Römern zu trotzen, womit sie zwar die Verwüstung von Palmyra heraufbeschwor, sich aber für immer und ewig einen Platz in den Herzen der Beduinen sicherte.
Jalal hatte es als anerkannter und allseits beliebter Sufi keine Schwierigkeiten bereitet, die Derwische davon zu überzeugen, dass mit Yeza die glückhafte Wiedergeburt der großen Zenobe den ärmlichen Hütten widerfahre -
schließlich sei die Bedrohung durch die Barbaren aus dem fernen Land der Mongolen durchaus vergleichbar mit der - in den Köpfen des Volkes immer noch gegenwärtigen - einstigen Unterdrückung durch die verhassten Römer. Nachdem er dieserart die hohe Geistlichkeit des Ortes auf seine Seite gebracht hatte, sprang der Funke unvermeidlicherweise auf die Beduinen über, entfachte im Handumdrehen einen wahren Feuersturm an Begeisterung, denn von durchziehenden Karawanen und den stets auf ruheloser Wanderung begriffenen Derwischen war längst auch der Ruf vom Königlichen Paar, den sagen-170
haften »Friedenskönigen«, bis nach Palmyra gelangt. Jedenfalls wurde Yeza bereits am Rande der Ruinenstadt von einer jubelnden Menge erwartet, und eine feierliche Delegation der Derwische, die hier - entgegen ihrem eigenen Selbstverständnis - in den Augen des Volkes die Priesterschaft stellten, geleitete >die Königin< zum Palast der Zenobe. Dass ihr der
Weitere Kostenlose Bücher