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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Schlummer. Frau Sybille hielt noch eine Zeit lang am Fenster Ausschau nach den Mongolen, verwies die schluchzende Alais des Zimmers und begab sich wieder in das zerwühlte Bett. Ganz geheuer kam ihr die Geschichte nicht vor, doch fühlte sie sich viel zu müde, um sich jetzt noch den Kopf zu zerbrechen. Morgen Früh würde sie Berenice zur Rede stellen -wohlig ermattet streckte die Fürstin ihre Glieder und ließ sich in den verdienten Schlaf fallen.
    »DER MOND GEHT AUF«, rezitierte eine warme Stimme im nächtlichen Garten des beit al malikah, »und schwebend erheben wir uns mit ihm.« Öllichter hingen von den Zweigen und tauchten die Sträucher rund um das
    »Haus der Königin« in magisches Licht. »Wer nichts sein Eigen nennt, hat auch nichts, was ihn am Schweben hindert.«
    Yeza hatte es eingeführt, dass jeder, der von den Derwischen Palmyras die Lust dazu verspürte, sich in ihrem verwunschenen Garten unter wispernden Palmen einfand.
    »Der kreiselnd sich drehende Derwisch fragt: >Warum sind weise Männer immer so furchtbar nüchtern? <«
    Yeza hockte auf einer Bank mitten unter ihren Gästen, die anfangs Jalal al-Sufi angeschleppt hatte, die inzwischen sich aber auch von allein bei ihrer Königin versammelten.
    » Und diese Weisen fragen: >Warum nur sind die tanzenden Derwische derart verrückt?<«
    Alle lachten, Yeza klatschte dem Vortragenden Beifall. Wein gab
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    es immer bei der Königin, und was passte besser zu einer Nacht der Poesie als die Verse von Rumi. Yeza lächelte dankbar zu Jalal hinüber, worauf der listige Derwisch sich sogleich schalkhaft erkühnte, sie in ihrer Mäzenatenhaltung zurechtzustutzen.
    »Von Rumi, den ich Euch zu schätzen gelehrt, meine liebe Königin, stammen auch diese Worte.« Er stand auf und verbeugte sich vor Yeza. »Ein Derwisch, der freigiebig die geheimen Lehren verschenkt und sowieso alles, was er besitzt, mit der gleichen Großmut, mit der er seine Atemluft verströmt, der bedarf nicht Eurer Brosamen -
    «
    Yeza wusste nicht, ob der listige Jalal scherzte, sie beschloss, es heiter zu nehmen.
    »Ein solcher Derwisch lebt von der Gunst einer ganz anderen Hand!«
    Und weil die Königin lachte und allen Wein nachschenken ließ, sprang ein Jüngerer in die Mitte der Runde und wirbelte in tollen Sprüngen umher, während er krächzend sang: »Der Derwisch tanzt, tanzt wie die schimmernden Strahlenfinger der Sonne durch die Blätter dringen«, er drehte sich so schnell, dass er wankte, aber er hielt nicht inne. »Er tanzt von der Morgenröte bis in die Dämmerung —« Im Vorbeiwirbeln griff er sich Yezas Becher. »Sie sagen >Das ist Teufelswerk! <«, er verschüttete den meisten Wein beim Versuch, das Gefäß an die Lippen zu bringen. »Gewiss doch, der Teufel, der mit uns tanzt, ist voller Süße - « Ihm gelang endlich ein Schluck, der Wein rann ihm über die Brust, »- und voller Lust! Er selbst ist ein Tänzer der Ekstase!«
    Er trat vor Yeza, um ihr den Becher zurückzuerstatten, sie aber hob die Kanne und füllte ihm reichlich nach, dass der Wein überlief. So verbrachten sie die Nacht, und wenn sich die Königin zurückzog, war das Fest noch lange nicht zu Ende, das hatte Yeza sich ausbedungen. So tranken und lärmten, sangen und tanzten die Derwische im Garten der Königin, bis die Lichter erloschen und der Morgen graute.
    Die Tage benutzte Yeza, um bereits am frühen Morgen mit ihrem Fechtmeister Rhaban auszureiten, nicht nur um ihre beiden Pferde
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    oder das Kamel im Gelände zu bewegen, sondern auch selbst im Gebrauch der Waffen nicht aus der Übung zu kommen. Mit Rhaban focht sie mit jeder Art von Schwertern, Degen und fein ziselierten Säbeln, vom schweren Scimtar bis zu leichteren Hieb- und Stichwaffen, die der Alte rund um Palmyra auftrieb. Yeza besaß schnell eine bemerkenswerte Sammlung, meist kostbare Einlegearbeiten, denn die Beduinen - kaum, dass sie mit Staunen und Respekt die kriegerischen Fähigkeiten ihrer Königin entdeckt hatten - schleppten wahre Kostbarkeiten der Damaszener Stahlschmieden in den Palast. Yeza übte sich auch in der Kunst des Bogenschießens, die sie bei den Mongolen erlernt hatte und worin sie es bald wieder zur Meisterschaft brachte. Doch mit nichts verblüffte sie ihren Lehrmeister mehr als mit ihrer Fertigkeit im überraschenden Schleudern des Wurfdolchs, den sie im Nacken, unter ihrer blonden Mähne verborgen, stets bei sich trug, wo sie stand und ging. Die Beduinen, die anfänglich dem Treiben ihrer Königin mit

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