Der Kelim der Prinzessin
Foix. Für sie gehörte das Königliche Paar zusammen! Jeder für sich von den beiden war ein gewöhnlicher Sterblicher, nicht besser und nicht schlechter als einer von ihnen, wobei sie sich selbst nicht mit einschloss, denn Berenice fühlte sich von der Natur ungerechterweise benachteiligt. Die Aura der besonderen, einzigartigen Bestimmung war ihnen nur als Paar gegeben! Berenice kannte Yeza nicht, weswegen sie auch nicht schlecht von ihr denken wollte. Aber sie verachtete aus tiefster, gestählter Brust die höchst liederliche Fürstin Sybille, die sie zudem im Verdacht hatte, auch ihren Terez nach Belieben zu missbrauchen. Vor allem schlug heimlich hinter mageren Rippen das Herz der hageren Berenice schwärmerisch für den edlen Ritter Trencavel. So wenig wie sie sich über ihre wahren - und vielleicht auch tieferen - Gefühle klar wurde, vermieden dies auch Terez und ihr kleiner Bruder Pons de Tarascon - von Guy de Muret ganz zu schweigen. Letztlich war das Einzige, das für sie alle zählte, die bevorstehende abenteuerliche Reise ins Ungewisse, die sich neu eröffnende Möglichkeit, als Erste Paladine von Rog und Yeza ungeahnte Heldentaten zu vollbringen. Damit wollten sie sogleich beginnen.
In der Kemenate der Fürstin mündete versteckt hinter der Wandtäfelung eine kupferne Rutsche, die in den Palastmauern verborgen hinabführte zu den Pferdeställen. Es war nicht etwa Sybille, die sie hatte einbauen lassen, aber sie hatte sie längst entdeckt und stolz ihrer Zofe gezeigt. Darauf fußte der Plan, den die drei ausheckten. Auf Berenice entfiel die heikelste Aufgabe, denn die ängstliche Alais war dafür nicht zu gebrauchen, sie würde sofort in Tränen
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ausbrechen oder sich sonst wie verraten, deswegen wurde die Gute gar nicht erst eingeweiht. Im
Ankleidezimmer lagen Kleider und Rüstung des Trencavel: Die mussten beiseite geschafft werden! Das sollte Berenice besorgen. Nur ein nackter Roc konnte die Fürstin in die Panik versetzen, die seine Freunde erzielen wollten ...
Am Abend verließen die drei Okzitanier, ohne Aufsehen zu erregen, das fürstliche Schloss. Mitten in der Nacht stürmten sie zurück mit brennenden Fackeln vor das Tor, schrien »Verrat!« und »Die Mongolen kommen!«. Im Hof des Schlosses veranstalteten sie dann einen derartigen Tumult, dass alle Ritter aus Schlaf, Suff oder von einer Küchenmagd erschrocken auffuhren, nach ihren Knechten, Pferden und Waffen brüllten, während die Okzitanier gut verteilt die wildesten Gerüchte ausstreuten: >König Hethum hätte Boten geschickt, den Trencavel zu warnen! Die Mongolen kämen, um sich Rocs zu bemächtigen! < Und das verstärkt durch handfeste Andeutungen: >Fürst Bohemund verlange, dass seine Frau Sybille sofort zu ihm ins Lager der Mongolen geschafft würde!<, die von der zitternden Alais umgehend der Fürstin hinterbracht wurden.
»Jemand hat Euch verraten!«, zeterte und jammerte Berenice im Vorzimmer. »Euer Gatte will den Kopf des Ehebrechers!« Sie trommelte mit ihren Fäusten an die Tür zum Schlafgemach, Alais fing prompt an zu heulen, als der nackte Trencavel sie einen Spaltbreit öffnete und die Zofe anherrschte, wo denn seine Kleider abgeblieben?! Frau Sybille wagte kaum aus dem Fenster hinabzuschauen in den Hof, wo immer mehr Fackeln aufflammten, Waffen klirrten und die Pferde schnaubten.
Mit dem Schrei »Rettet Euch, Trencavel!«, war Berenice aus dem Vorzimmer entwichen. Frau Sybille wickelte den Geliebten in ein Bettlaken und stieß ihn in die Öffnung der geheimen Fluchtröhre. Unten fingen ihn die Verschwörer auf, kleideten ihn hastig im Dunkeln an, Roc war viel zu aufgeregt, um zu fragen, woher sie plötzlich seine Rüstung hatten. Sie setzten ihn auf sein Pferd und stürmten mit dem Trencavel hinaus in den Hof.
Das Tor wurde aufgerissen, und mit ihm an der Spitze donnerte die Kavalkade aus der Burg, fegte durch die nächtlichen Straßen, preschte durch die tief
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eingeschnittene Schlucht des reißenden Wildbachs Onoplikes, der hier seinen Weg aus der Stadt nahm und Antioch durch das »Eiserne Tor« in der Mauer verließ, das eigentlich dafür gedacht war, den Feind davon abzuhalten, durch diese Klamm einzudringen. Kein Weg war besser geeignet, den Rittern aus Antioch zu zeigen, wie groß die Gefahr war, denn diese Pforte aus schwerem Eisengitter wurde nur in höchster Not, bei riskanten Ausfällen geöffnet.
Das fürstliche Schloss fiel - so plötzlich wie es aufgeschreckt war - wieder in friedlichen
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