Der Kelim der Prinzessin
erhofften Reaktion an Baitschu, der mit dem neben ihm sitzenden Rhaban ins geflüsterte Gespräch gekommen war.
»Ist die Prinzessin die Perle des Meeres?«
»Mehr noch«, entgegnete ihm der alte Fechtmeister, »sie ist das Wasser des Lebens und die Taucherin!«
Da erhob sich der Bretone, verneigte sich zu den erstaunten Derwischen und dann vor der Königin. »Ihr sollt nicht denken!«, hub er an, seiner Sache erstaunlich sicher. »Verliert Euch nicht in dem Fadengespinst Eurer Gedanken. Euer Denken wirkt wie ein Schleier vor dem Antlitz des Mondes - «
Kenner des großen Rumi, allen voran Jalal al-Sufi, mussten sich eingestehen, dass Yves dessen Lyrik Wort für Wort beherrschte.
»Dieser Mond ist Euer Herz — «
Die Erkenntnis machte den sonst um keine Replik verlegenen Derwisch sprachlos.
»- und solches Denken verhüllt wie ein Mantel Euer Herz!«
Auch die Derwische starrten gebannt auf den Vortragenden.
»So lasst die Gedanken fahren! Lasst sie grad' fallen, fallen in das große Wasser!«
Es erhob sich kein tosender Beifall. Das war auch gut so, denn Herr Yves war vor der Königin stehen geblieben, aber was er nun sprach, war an alle gerichtet. »Ich werde Yeza«, er verbesserte sich todernst, »Isabel, Prinzessin Esclarmunde du Mont y Sion«, der Angesprochenen stockte der Atem, »nicht allein Eure Königin, sondern Königin aller«, man hätte eine Nadel fallen hören, selbst die Zikaden hatten ihr Zirpen eingestellt, »ich werde die Prinzessin von Palmyra hinwegführen - « Der Rest ging unter in einem Wutschrei der Derwische.
Yeza war aufgesprungen. »Dazu gehören zwei, Bretone!«, fauchte sie ihn kalt an.
Yves verbeugte sich, nahm Baitschu an der Hand, murmelte:
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»Ihr erlaubt, dass ich mich zurückziehe?!«, und verschwand in seinem Gastgemach.
Yeza ließ den Aufgebrachten neuen Wein einschenken, reichlich, aber die Stimmung war dahin, der Abend verdorben. Nach und nach verließen die Gäste den Garten der Königin.
»Ich hätte den Kerl umbringen können!«, schnaubte Rhaban.
»Versucht das lieber nicht!«, sagte Yeza und verabschiedete den empörten Fechtmeister. Sie hatte das Bedürfnis, jetzt allein zu sein. Sie war es.
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DER PREIS EINES KOPFES
Aus der Chronik des William von Koebr uk
Unsere kleine Reisegruppe war jetzt schon einige Tage unterwegs, aber immer noch ließ es der Emir, unser unwidersprochener Anführer, an einer klaren Vorgabe fehlen, welchen Weg wir einschlagen sollten. Wir waren jetzt wieder die gleiche Gesellschaft, die zu Jerusalem beschlossen hatte, die Suche nach dem Königlichen Paar aufzunehmen, aber wir spürten, der Rote Falke wusste auch keine Erfolg versprechende Methode, zu diesem Ziel zu gelangen. Genau genommen - auch wenn ihm niemand von uns einen offenen Vorwurf machte - irrten wir planlos in der Wüste umher. Ich war mir sogar sicher, dass wir uns - statt nach Nordosten - inzwischen südlich der Höhe von Damaskus bewegten. Da wir uns reichlich mit Proviant und Wasser versehen hatten, hielt sich der Unmut in Grenzen. Schließlich hatte keiner von uns eine Lösung parat, die wenigstens einen Schimmer von Hoffnung auf Erfolg angeboten hätte. Das Einzige, worauf wir uns, nach einem Machtwort des Roten Falken, verständigt hatten, war, die beschwerliche Reise auf Kamelrücken anzugehen. Etwas anderes hätten sich die meisten von uns gar nicht leisten können. Lediglich der junge Ali, dieser Sultanssohn, hatte gemault, dass er es gewohnt sei, hoch zu Ross -ein scharfer Blick des Roten Falken ließ ihn verstummen, zumal er auch bei Madulain keine Unterstützung fand. Die Prinzessin der Saratz, Eheweib des Emirs, zeigte ansonsten eher Nachgiebigkeit gegenüber den Launen des hübschen Burschen. Die völlig unterschiedliche Zusammensetzung unserer Reisegesellschaft war eine weitere Ursache für unser langsames Vorwärtskommen.
Joshua der Zimmermann und David der einarmige Templer
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schienen den Marsch durch die Wüste nur deshalb auf sich genommen zu haben, um jeden Abend ihrem in einem Beutel mitgeführten Wesen-Spiel frönen zu können. Kaum neigte sich die Sonne dem Horizont zu, drängten sie klagend, völlige Erschöpfung vortäuschend, auf die Suche nach einem geeigneten Rastplatz, breiteten sofort eine Decke aus und machten sich an den Aufbau der Pyramide aus den farbigen Hölzchen. Weil ihnen mit Jalal, dem Sufi, der vierte Mann abhanden gekommen war, hatten sie Madulain überredet, die allerdings schnell Gefallen an dem klugen Spiel fand
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