Der Kelim der Prinzessin
Mal, wenn sie die Welt besonders schön erlebte und ihr eigenes Los darin als fast beneidenswert.
So war Yeza auch nicht sonderlich erstaunt, dass sie bei einem ihrer Lieblingstürme zwei Reiter antraf, die dort bereits abgestiegen waren, als hätten sie auf Yeza gewartet.
»Yves der Bretone!«, grüßte sie heiter gelassen den finstertraurigen Ritter mit seinem riesigen Schwert, der Einbruch der Außenwelt musste ja eines Tages erfolgen. »Ihr gehört zu dem Kreis von Menschen, die einen offensichtlich von der Wiege bis zum letzten Atemzug begleiten, ohne dass man weiß, auf welcher Seite sie stehen.«
Yves lächelte verlegen und schob den Knaben vor, den er mit sich führte. »Das ist Baitschu, der jüngste Spross Eures alten Verehrers Kitbogha, dem er allerdings ausgerissen ist.«
Baitschu grinste Yeza auf ihrem Kamel an, wenig Schuldgefühle zeigend, dafür aber unverhohlene Neugier für die Reiterin. »Und Ihr seid unsere Prinzessin«, gab er sich forsch, »deren Verlust meinen Herrn Vater nicht minder betrübt. Alle Mongolen suchen nach Euch!«
Yeza hielt sich an den Bretonen, dem die Offenheit des Knaben nicht zu passen schien. »Herr Yves findet jeden«, spottete sie, »und wenn er dafür in die Hölle hinabsteigen müsste!« Sie besann sich und gab sich als konziliante Herrscherin. »Doch Palmyra gleicht eher dem Paradies auf Erden und ist damit kaum der rechte Ort für ein auf Recht und Ordnung versessenes Raubein wie den Bretonen.« Ein prüfender Blick auf Yves zeigte ihr, dass der diese Sicht der Dinge gar nicht spaßig fand, doch ihr lag daran, gleich Klarheit zu schaffen. »Macht es Euch einfach, meine Herren: Ihr habt mich nicht gesehen, weder dort droben im lichten Himmel«, sie wies auf die blutrot untergehende Sonnenscheibe im Westen, »noch im dunklen Reich der hier friedlich ruhenden Toten.«
Sie schloss behutsam die Tür zu der steinernen Gruft. »Und jetzt folgt mir bitte, damit ich Euch gastlich in meinem Hause bewirten kann!«
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Yeza wendete ihr Kamel und lenkte es zurück zum Palast der Zenobe, ohne sich nach den beiden umzudrehen.
Sie ließ ihnen Gemächer zuweisen und bat dann zu Tisch, zu dem auch Jalal und einige seiner Derwisch-Freunde geladen waren. Das Essen verlief wortkarg, die Ankunft der beiden Gäste lastete auf ihrer Königin, glaubten die feinfühligen Derwische schnell als Grund erkannt zu haben. Kaum waren die Speisen abgeräumt und wurde nur noch Wein kredenzt, machte Jalal al-Sufi tastend den Anfang im Zitieren der Poesie des von Yeza so geschätzten Jalaluddin Rumi. Wie auf geheime Verabredung richteten sich jedoch Wort und Gehalt gegen den mürrischen Bretonen.
»In jeder Kunst beschlagen zu sein, stehst Du Dich an zu behaupten, - Kenntnis alles Wissens sei Dir zu Eigen, der Du nicht einmal zu hören vermagst, was Dein eigenes Herz Dir sagt - «
Die Königin lächelte dünn, Herr Yves folgte dem Text insofern, dass sein Mienenspiel vorgab, nicht zugehört, geschweige denn die Verse auf sich bezogen zu haben. Der kleine Derwisch ließ es sich nicht verdrießen.
»Solange bis Du diese einjachen Worte nicht vernehmen kannst, wie willst Du dann zu den Wahrern des Geheimnisses zählen, zu den Reisenden auf dem Weg, der das Ziel ist?«
Yeza spendete ihm Beifall, in den auch der Knabe Baitschu einfiel, der nichts verstanden hatte, aber die Königin großartig fand. Der Bretone blieb verschlossen. Er gab sich zwar Mühe, nicht allzu finster dreinzuschauen, wirkte damit aber wie ein Mann, dem das Leben nur Grund für eine unendliche Traurigkeit bereitgehalten hatte.
Königin Yeza ließ den Garten illuminieren, die Tischgesellschaft begab sich zu den Sitzgelegenheiten unter den Palmen. Die vollen Becher kreisten, Herr Yves nippte höflich an dem seinen und verlangte dann Wasser für Baitschu, seinen Schutzbefohlenen. Das ließ den nächsten Derwisch in den Ring springen.
»Wenn Du eine Perle finden willst, dann Stocher' nach ihr nicht in Pfützen! Perlensucher tauchen in die Tiefe des Ozeans!« Während der junge Derwisch mit der krächzenden Stimme noch innehielt, um die Wirkung seines Gedankens zu überprüfen, übernahm ein anderer flugs dessen Fortführung.
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»Und wer wird die Perle finden? - Alle, die wiederauftauchen aus den Wassern des Lebens - und immer noch durstig.«
Er war es, der den Applaus einheimste, was den Bretonen zwar nicht zum Lächeln brachte, aber immerhin hatte er stirnrunzelnd zugehört. Yeza verschenkte ihr Lächeln mangels der
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