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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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loswerden zu wollen. Der Dicke rang mit sich, ob unsere Kollekte einen annehmbaren Gegenwert für eine solche monströse Rarität darstellte, wie er sie beschrieben. Das tat sie sicher nicht, und ihm musste es wohl Leid getan haben, sich für ein Almosen von dem Prunkstück zu trennen.
    »Ich hätte da noch - bi qudrat allah - ein anderes Angebot«, wandte er sich wieder an den Roten Falken, »das uns durch Allahs Fügung in die Hand gefallen ist, wir haben ihn nämlich aus dem Ufersand des Euphrat ausgegraben - « Er gab seinen Leuten einen Wink, und sie zerrten eine gefesselte Gestalt herbei, einen jungen Mann mit wirrem Blick, wahrlich ein Bild des Elends! Wie einem wilden Tier hatten die Räuber ihm einen Ast als Knebel in den Mund gepresst, sodass er kaum zu atmen, nur zu röcheln vermochte. Einer trat ihm in die Kniekehlen, damit er vor uns auf die Knie fiel, wobei das menschliche Bündel flehentlich die Hände hob, die mit dem Strick zusammengeschnürt waren, an dem die edlen Retter ihr Opfer wohl mit sich geschleift hatten.
    »Der Kerl behauptet, El-Aziz, der einzige Sohn des Sultans von Damaskus, zu sein«, ließ uns der Dicke ungerührt wissen, »den könnte ich Euch gegebenenfalls überlassen - angesichts der beschränkten Mittel - « Er ließ uns durchaus den Vorwurf heraushö-
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    ren, »mit denen Ihr Euch auf Reisen begeben habt. Ich lass Euch die Wahl!«, fügte er geschmeidig an, obgleich er nicht sonderlich gewillt war, uns die Entscheidung zu überlassen.
    Ich schaute betroffen auf die Mitleid heischende Gestalt. Auch wenn es kein Sultanssohn sein sollte, regte sich bei mir sofort das anerzogene christliche Erbarmen, und das erlaubte keinen Zweifel, wie sich der Minorit William von Roebruk zu entscheiden habe. Aber ich war der Einzige, der dem leidenden Menschensohn den Vorzug geben wollte. Josh der Zimmermann und David der Templer hatten ganz anderes im Sinn und sprachen es auch offen aus.
    »Für unser schönes Geld«, erklärte der Kabbaiist mit Nachdruck, »wollen wir wenigstens eine nützliche Unterlage zum Wesen-Spiel, und die könnte dieser Kelim für uns Spieler großzügig bieten!«
    »Ein entlaufener Sklave hingegen«, pflichtete ihm der Templer bei, »lässt sich nicht einmal als vierter Mann einsetzen und wird uns höchstens das knappe Wasser wegsaufen!«
    Madulain schüttelte nur verneinend ihr kühnes Haupt, und Ali starrte den angeblichen Thronprätendenten zwar mit einer merkwürdigen Mischung von Misstrauen und Gier an, doch ebenfalls bar allen Mitgefühls.
    Unser Emir, primus inter pares, überflog rasch das klare Abstimmungsergebnis. »Meine Gefährten«, ließ er den enttäuschten Dicken wissen, »haben sich für den Kelim entschieden - «
    »Den wir endlich zu Gesicht bekommen sollten!«, hakte der Zimmermann begehrlich nach. »Ihr könntet ihn jetzt vor uns ausbreiten.«
    Der Dicke ließ das menschliche Bündel entfernen und gab den Befehl, den Teppich auszurollen. »Wahrhaftig, ein prächtiges Stück orientalischer Webkunst!«, rief Joshua begeistert aus. Was mich störte, ja abschreckte, waren die unverkennbaren Flecken auf dem Teppich, die nur von vergossenem Blut herrühren konnten.
    Aufgeteilt war dieser Kelim in eine Unzahl von rechteckigen Feldern, die bedeckt waren mit geheimnisvollen Symbolen und Fabelwesen der Mythologie. Ich kam nicht dazu, mich näher mit ihrer versteck-198
    ten Bedeutung zu befassen, die mein Interesse wachgerufen, denn wie kleine Kinder hüpften sogleich Joshua und David auf die in glühend leuchtenden Farben verwobene Ornamentik, um in der Mitte der Fläche ihren Beutel mit den Stäbchen des Wesen-Spiels auszuleeren. Es war meine kluge Prinzessin der Saratz, die ob des gewiss überwältigenden Anblicks keineswegs die Übersicht verlor und den Dicken, der seinen Leuten schon den Befehl zum Aufbruch geben wollte, unverblümt anging.
    »Wie stellt Ihr Euch denn vor, dass wir diesen Riesenteppich mit uns schleppen sollen, wenn Ihr uns nicht die Kamele und Treiber überlasst, die ihn bisher transportierten!?«
    Der beleibte Anführer erlaubte sich ein freches Grinsen. »Ich sah Euch schon mit Euren zarten Schultern unter seiner Last zusammenbrechen - «
    Madulain musterte ihn kühl. »Ist das die Art, wie man mit Freunden verfährt, mit denen man gemeinsam getrunken?«
    Dem Dicken imponierte ihre mutige Sprache, irgendetwas bewog ihn, sich mit dieser Frau nicht anzulegen.
    Verschmitzt kniff er die Augen zusammen. »Ich werde Euch die notwendigen

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