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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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suchte, es fiel mir auch nicht schwer, denn keiner meiner Mitspieler machte sie mir streitig. Doch mangelnde Opposition bereitet keinen Lustgewinn!
    Die Sonne stand schon tief, als aus der Wüste eine Karawane auftauchte und ganz offensichtlich auf den gleichen Ort zuhielt, den wir besetzt hatten. Der Rote Falke hieß uns sofort, alle verfügbaren Schläuche und Beutel mit Wasser aus dem Brunnen zu füllen, bevor diese Menschen und Tiere sich über das kostbare Nass hermachen würden. Dafür mussten wir sogar unser Spiel unterbrechen, aber die Vorsichtsmaßnahme war uns allen einsichtig - selbst Ali. Wir rückten enger zusammen, je näher die Fremden kamen, denn der erste Eindruck, den sie auf uns machten, war alles andere als vertrauenerweckend.
    »Tuareg!«, zischte der Rote Falke seiner Frau zu, »der Wüste schlimmste Räuber!«, die daraufhin ihr hijab tief in die Stirn zog und ihren Kopf senkte, um nicht unnötige Begehrlichkeit aufkommen zu lassen. »Wenn die sich bis hierher verirrt haben«, flüsterte Madulain, »dann sind sie besonders gefährlich.« Ali, dessen Hand sofort zur Waffe gezuckt war, wurde von dem Emir mit festem Griff daran gehindert, durch eine solche Geste die Ankömmlinge zu provozieren. Sie waren in so starker Überzahl, dass Gegenwehr nicht den geringsten Sinn machte, außerdem hätte sie allein auf dem Roten Falken und vielleicht noch auf dem einarmigen David gelastet, denn wir, der traurige Rest, wussten nicht einmal, wie
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    man mit einem Scimtar umging - abgesehen davon, dass keiner von uns eine solche scharfe Klinge sein Eigen nannte. Der Emir erhob sich und trat dem Anführer, einem dicken Kerl mit riesigen Ohrringen, lächelnd entgegen. Der grinste breit und sagte, nach Austausch der üblichen Begrüßungsfloskeln:
    »Nachdem Eure Leute schon so aufmerksam waren, für uns das Wasser zu schöpfen, ist es nur recht, dass die schöne Frau«, sein fleischiger Finger zeigte auf Madulain, »es uns jetzt zum Willkommen kredenzt!« Das war keine Anfrage, sondern eine klare Aufforderung, der nicht nachzukommen ein großer Fehler gewesen wäre, denn nach dem Gesetz der Wüste stellt sich durch Darbieten und Annahme eines solchen Trunks unverletzliche Gastfreundschaft her - wenn denn diese Räuber solche Gesetze achteten!
    Der Rote Falke gab also Madulain einen Wink, dem nachdrängenden Gefolge des Anführers aus unseren Beuteln und Schläuchen zu trinken zu geben. Dieser Vorgang, den wir alle mit angstvoller Spannung verfolgten, verlief ohne Zwischenfälle, im Gegenteil, die wilden Gesellen bedankten sich jeder mit einer Verbeugung vor der mutigen Saratz.
    Währenddessen hatte der Dicke den Roten Falken beiseite genommen und ihm gezeigt, mit welcher »Ware«
    seine Karawane unterwegs war.
    »Wir haben da einen wunderschönen Kelim, zwar in seiner Größe etwas ungewöhnlich«, er schnalzte mit seinen fetten Lippen, »er wäre die höchste Zier einer jeden bedeutenden Moschee -von Aleppo bis Damaskus oder gar Kairo! Den wollen wir Euch günstig verkaufen!« Das war ebenfalls kein Angebot, sondern ein kaum verbrämter Wunsch, an den Inhalt unserer Geldbeutel zu gelangen.
    Der Rote Falke sah das auch so. »Es war schon immer mein brennender Wunsch, der großen Moschee Al-Omayyad von Damaskus ein solches Schmuckstück von bleibendem Wert zu stiften, schon um des Friedens meiner Seele willen«, holte er weit aus, das breite Grinsen des Anführers bis zu den Ohrringen ausdehnend,
    »doch sind meine Gefährten und ich nicht ausgezogen, um einen Bazar zu besuchen, sondern um nach dem Schicksal von in der
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    Wüste zwischen Euphrat und Tigris Verschollenen zu forschen, deswegen führen wir solche Barmittel, die Euer großherziges Geschenk als Gegengabe wert sind, nicht mit uns - weswegen mich tiefe Scham erfüllt!«
    Das Grinsen des Dicken schnurrte zusammen, bis es unter der Knollennase Platz hatte. »Dann sollen die edlen Wohltäter mal zusammenlegen«, schlug er sogleich vor, tiefste Betrübnis zeigend, aber auch schnelle Anpassungsfähigkeit, »um Allah zu beweisen, was sein Lob ihnen wert ist - «
    Da wir alle mitgehört hatten, griffen wir seufzend in unsere Taschen, zogen die Geldbeutel und leerten ihren Inhalt in das Tuch, mit dem der Dicke bei uns Mann für Mann unsere Münzen einsammelte. Das Ergebnis war nicht berauschend, aber offensichtlich war der Kelim, den wir noch gar nicht zu Gesicht bekommen hatten, entweder gestohlen - oder es gab für die Räuber sonst einen Grund, ihn

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