Der Kelim der Prinzessin
und uns Männer bald durch blitzgescheite Findigkeit und kühne Kombination verblüffte.
Ich selbst konnte mich, aufgrund alter Freundschaft, sowieso der Teilnahme nicht verweigern. Schon immer hatte ich versucht herauszubekommen, wer das Spiel eigentlich in unseren Kreis eingeführt hatte, denn diesbezüglich wartete jeder mit einer anderen Version auf. Josh der Kabbaiist verwies gern auf frühe Funde im Bereich des Tempelbergs, die eine jüdische Benutzung der Symbole zur Übermittlung geheimer Nachrichten während der römischen Besatzungszeit nahe legten. David hingegen bestritt weder das Alter noch den geschichtsträchtigen Ort, behauptete aber, dass die vermutlich einst in Hörn geschnittenen Zeichen die entscheidenden Hinweise bei den ersten Grabungen der Templer unter den Pferdeställen Salomons, also der heutigen Al-Aqsa-Moschee, lieferten. Um nicht gänzlich unbedarft dazustehen, vertrete ich mit bissigem Vergnügen die ebenfalls nicht beweisbare These, der divinatorische Ursprung läge im Zweistromland, schließlich handele es sich um astrologische Symbole und die Kunst ihrer Deutung habe dort ihren Anfang genommen. Wie auch immer, unserem schnelleren Fortkommen diente die Spielleidenschaft nicht, sehr zum Ärger des Roten Falken, der sich wohl ein zielstrebigeres Verhalten unseres wild zusammengewürfelten Haufens vorgestellt hatte. Doch da fiel ihm schon sein eigenes Weib in den Rücken. Mit kühnem Zugriff hatte Madulain gerade den unaufmerksamen Joshua um den wertvollen Caput draconis gebracht, auch »Der Hohepriester«
genannt, und damit ihr Spiel zum Abschluss gebracht, als unbestrittene Siegerin.
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Ich hatte mich einerseits zu unbescheiden in meinen Ansprüchen festgelegt, aber in der Durchführung zeigte ich mich nicht wagemutig und konsequent genug. Von allem irdischen Besitz hatte ich mir Überfluss erhofft und Hungersnot geerntet, von der Macht, dem Herrschergeist des von mir verehrten Jupiters, Glanz und Wissen und Reichtum - und was ist William von Roebruk geblieben, wenn er ehrlich ist mit sich selbst? Ein Bettler ist allemal besser dran!
Das Wesen-Spiel ist schonungslos, wenn man sich vor der Deutung nicht drückt! Aber diese Einblicke ins Innerste - auch ins Innerste der Welt, in der wir leben, macht seine Sucht aus. Jeder von uns erhält reichlich Schläge, und doch halten wir sofort wieder die Backe hin!
Zu unserem Glück lagen noch reichlich Oasen in der hügeligen Landschaft, die uns jeweils einen guten Vorwand lieferten, mal wieder eine Rast einzulegen. Der Rote Falke war darüber zunehmend verärgert, aber auf Befragen
- wir schickten sein Weib vor - wusste auch er nicht zu sagen, was denn nun seine Strategie sei. Das Aufstöbern des Königlichen Paares stellte sich unbestreitbar als die Suche nach einer Nadel in einem Heuhaufen dar, nur, dass hier das getrocknete, duftende Gras durch Berge von Sandkörnern ersetzt wurde, endlos und fast gleichförmig für unsere Augen zogen sich die Dünen dahin. So genommen hatten unsere Spieler nicht einmal Unrecht, die Chance, auf die Gesuchten zu stoßen, würde sich durch hektische Bewegung keineswegs verbessern. Genauso gut konnte man sich hinsetzen und einfach warten, ob sie nicht zufällig gerade hier vorbeikämen, zumal ein solches Verfahren im Schatten von Palmen und bei frischem Wasser aus dem
Ziehbrunnen seine Vorzüge hatte. Und so stand auch einer neuerlichen Partie nichts im Wege.
Josh, unser Zimmermann, versuchte diesmal sein Glück im Unglück. Er verbarg seine Intentionen nicht, als er uns - gegen alle Gepflogenheiten - schon gleich zu Beginn den Cauda draconis, den Drachenschwanz, zeigte und dann begierig nacheinander alle Zeichen der Erniedrigung an sich zog, die Feuersbrunst, die Hurerei 194
und den Meuchler aus dem solaren Prinzip des Feuers, auf der Kehrseite des Mondes raffte er den Sklaven, den Siechen und den Ertrunkenen, krönte seine Sammlung auch noch durch das seltene Seeungeheuer, doch dann raubte ihm Madulain den merkurialen Giftmischer und David griff sich schnell den Spion, obgleich der Templer mit seinem geraden Charakter besser seine Finger von den luftigen Zeichen der Spiritualität, wie Dichter und Künstler generell, lassen sollte. Ich empfand diesen plötzlichen Hang zu den Niederungen menschlichen Verhaltens bedenklich, sogar unheilvoll und beschloss, mich gegen diese »Deszendenz« zu stemmen, indem ich um den »Sitzenden Drachen« alle Elemente in ihrer reinen und positiven Form zu versammeln
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