Der Kelim der Prinzessin
über meine Gefühle Rechenschaft abzulegen!«
Naiman schluckte auch diese Zurechtweisung. »Wie dem auch sei«, lenkte er ein. »Es kann für den Sohn des berühmten Fakhr ed-Din, der die Verteidigung seiner Heimat gegen die Ungläubigen mit seinem Leben bezahlte, keinen Grund geben, es mit den Mongolen zu halten, unseren erklärten Feinden!«
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Der Emir sah dem Agenten offen ins verschlagene Gesicht. »Grund nicht, aber Anlass!«, beschied er ihn bündig.
»Die Mongolen unterstützen den Plan«, fast wäre ihm das Wort vom Großen Plan herausgerutscht, »das Königliche Paar als Friedensfürsten in diesem Land einzusetzen. Und deren Sache habe ich zu meiner gemacht -
ob das nun Sultan Qutuz behagt oder nicht!«
Naiman wiegte den Kopf und versuchte sich verständnisvoll zu geben. »Der Il-Khan fördert dieses Vorhaben nicht aus selbstloser Liebe zu Roc Trencavel und Prinzessin Yeza«, gab er zu bedenken, »sondern sieht sie als nützliche Marionetten. Die Macht, die er zu etablieren gedenkt, wird von den Mongolen ausgehen, und ihre Eroberungswut wird auch an den Grenzen zu Ägypten nicht Halt machen!«
»Euer kleiner Geist, Naiman, kann die Herrschaft von Roc und Yeza nur unterschätzen«, griff er den Agenten frontal an, »die Idee zu dieser völkerverbindenden Krone stammt auch nicht von den Mongolen, selbst der Großkhan im fernen Karakorum ist lediglich dazu ausersehen, diese Inthronisierung durchzusetzen!« Der Rote Falke ließ sich dazu hinreißen, mehr preiszugeben, als er ursprünglich wollte. »Hinter Rog und Yeza steht eine ganz andere Macht!«
Naiman lächelte, er ließ nicht durchscheinen, dass ihm die geheime Bruderschaft und die geheimnisvolle Grande Maitresse ein Begriff waren, er sagte nur: »Und Ihr überschätzt die Möglichkeiten eines jeden fremden Herrschers auf dem Boden eines Landes, das der Lehre des Propheten folgt. Nicht einmal die geballte Macht aller Kreuzfahrerheere des Abendlandes hat hier das Königreich von Jerusalem auf die Dauer im Sattel halten können. Wie soll ein solches Unterfangen Euren Schützlingen gelingen? «
»Ihr tut jetzt so, als wäre das gewaltige Mongolenheer gar nicht mehr vorhanden!«, spottete der Rote Falke.
»Aber dessen Masse und Kampfkraft könnt Ihr nicht einfach wegreden!«
Naiman gab sich mitnichten geschlagen. »Wir, das syrische Volk oder das der Ägypter, stehen auf unserem ureigenen Boden, und nicht Tausende von Meilen entfernt in der Fremde! Deswegen erlaube ich mir, die Mongolen nicht sonderlich ernst zu nehmen!«
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»Sie werden Euch schon dazu bringen!«, schnaubte der Emir aufgebracht über den Unverstand des Agenten, der ihm so zäh und nicht ungeschickt Widerpart bot. »Was jedenfalls Roc und Yeza anbelangt, bin ich als einer ihrer Hüter berufen und werde dieser hohen Ehre auch nicht entsagen!«
»Ich will Euch meine Hochachtung nicht versagen, Fassr ed-Din«, der geschmeidige Agent verbeugte sich übertrieben tief, »doch hütet Euch, mit ihnen unterzugehen!« Er verließ rückwärts den Raum, auch wenn er nicht befürchten musste, einen wütenden Tritt zu empfangen. Zu sehr hatte er den Roten Falken, diesen Idealisten, beeindruckt. Jedenfalls schied er in dieser Meinung: Eines Tages würde es ihm doch noch gelingen, den Emir auf seine Seite zu ziehen - vielleicht sogar gegen dieses Königliche Paar einzunehmen. Naiman war da sehr zuversichtlich.
Der Rote Falke hingegen war unzufrieden mit sich selbst: Er hätte sich auf den Disput mit dieser Kreatur nie einlassen sollen. Madulain hatte völlig Recht!
Aus der Chronik des William von Koebr uk
Da uns die Zitadelle wenig Abwechslung bot, waren wir, David der Templer, Josh der Zimmermann und ich, der Franziskaner, hinabgezogen in die Soukhs der Stadt. Doch anstatt die Bauten zu bewundern, hatten wir uns in einer der Teestuben an dem belebtesten Platz des Bazars niedergelassen. Dort hockten wir zusammen, schmauchten an den Mundstücken der shisha und bedachten die vorüberhastenden oder schlendernden Menschen mit bissigen Kommentaren. Wir hätten den Beutel mit den Stäbchen mitnehmen sollen, kein Ort ist geeigneter für das Wesen-Spiel als eine mashrab shai in der Altstadt von Damaskus. Keiner hatte daran gedacht, aber das warfen wir uns jetzt gegenseitig vor, schnell so heftig, dass offener Streit zwischen uns ausbrach. Der tiefere Grund für die gereizte Stimmung meiner Gefährten lag in der Unbestimmtheit unserer Reise, ihrem ungewissen Ziel. Ich hatte meine Chronik, an die
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