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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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stapelten sich weggeworfene Rüstungsteile, Helme, Brustpanzer, Spieße und vereinzelt auch wertvolle Scimtars, teure, scharfe Klingen, für die Damaskus so berühmt war. In den Bogengängen und Balken der überdachten Soukhs baumelten an dünnen Stricken halb nackte Männer mit schlaffen Hälsen - Deserteure? Aufrührer? Von den Soldaten war nichts mehr zu sehen, eine unangenehme Ruhe war eingekehrt. Es wurden Stimmen laut, am as-Saghir-Tor sei völlig unbeaufsichtigt der Elefant gefunden worden. Der Sultan habe mit wenigen Getreuen die Stadt verlassen, von seinem Hofstaat sei ihm nur seine Favoritin gefolgt, nebst einigen seiner schwarzen Leibwächter aus dem Sudan.
    Die Palastgarde und die Truppenteile, die nicht desertiert waren - wie zum Beispiel die Seldschukensöldner -, hätten sich auf der Zitadelle verschanzt. Keiner wusste zu sagen, ob An-Nasir sich nun zur Flucht entschieden hatte oder dazu, gemeinsam mit den Ägyptern den Kampf gegen
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    die Mongolen aufzunehmen. Dagegen sprach allerdings der zurückgelassene Kriegselefant, auf dessen Rücken der Sultan in die Schlacht zu ziehen liebte. Die Mitnahme seiner Favoritin gab auch keine Antwort auf die Frage, denn diese Dame, sie galt als eine Tochter des Kaisers der Deutschen, pflegte selbst zu entscheiden, wohin sie ging - und der Sultan ließ sie stets gewähren. Jedenfalls, so berichteten Hirten, sei der kleine Zug im frühen Morgengrauen gen Süden, in die Wüste gezogen.
    Aus der Chronik des William von Koebr uk
    Die Nacht brach schnell herein über der namenlosen Wasserstelle in der Wüste, an der wir uns nun schon seit drei Tagen aufhielten. Der Ausdruck »wir« traf die merkwürdige Situation nicht korrekt, denn inmitten der Oase lagerten Roc und seine Okzitanier, mit denen er aus Antioch aufgebrochen war, verstärkt durch zehn Ritter des dortigen Fürsten Bohemund und weiteren fünf, die der König von Armenien beigesteuert hatte, nebst den dazugehörigen Knechten und Knappen. Dazu kamen aus Jerusalem meine Freunde, Josh der Zimmermann und David der Templer, die mich jedoch inzwischen nicht mehr als solchen anerkannten, denn ich hatte mich dem Roten Falken und seiner Frau Madulain zugesellt - und mich damit nicht nur mutwillig, sondern auch rücksichtslos gegenüber ihren Interessen ausgeschlossen. Das bezog sich sowohl auf den aus freien Stücken geschaffenen räumlichen Abstand zu ihnen, war aber von mir vor allem als Protest gegen das unakzeptable Verhalten Rocs gedacht. Für sie waren wir drei »Abtrünnige« bereits am Abend abgereist. Dass wir uns noch in Sichtweite aufhielten, war nur auf mein dringliches Bitten hin geschehen und durch den Hinweis auf die einbrechende Nacht. Wir waren also da, und doch gab es uns nicht!
    Schuld daran war dies Ungeheuer von Kelim! Flach hingestreckt zwischen uns trug er mehr zu unserer Trennung bei als ein klaftertiefer Graben bestückt mit Mauern und Türmen. Allerdings
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    war der Teppich nicht die alleinige Ursache für das Zerwürfnis. Mit seinem Auftauchen, dem gierigen, herzlosen und letztlich feigen Erwerb, hatte sich nur klar und schonungslos offenbart, dass unser aller Beweggründe keineswegs frei waren von Eigensucht, Gleichgültigkeit und vielleicht noch schlimmeren charakterlichen Mängeln.
    Ich will mich da gar nicht ausschließen. Mein bisheriges Verhalten wies bis zum überraschenden Eintreffen des Trencavel schon kein Ruhmesblatt auf, und dass ich mich zu diesem Schritt eines offenen Affronts gegen ihn durchgerungen habe, liegt sicher mehr in der erlittenen Kränkung begründet als in einem überzeugten Empfinden für Recht und Unrecht meinerseits. Ich war beleidigt!
    Doch keineswegs so sehr, dass ich nicht Gefahr lief, rückfällig zu werden, eine winzige Geste der Versöhnung hätte mir gereicht. Deswegen hatte ich meine Decke auch gleich am Rande des Kelims ausgebreitet, sodass man mich sehen musste und wieder herbeirufen mochte. Doch es geschah nichts dergleichen, keiner nahm noch Notiz von mir.
    Inzwischen hatte der harte Kern der Spieler, also der Kabbaiist und der Templer, die Mitte des Teppichs mit einem Kranz von Öl-lichtern bestückt, so befand sich die Pyramide in einem magischen Kreis von flackernden, rußenden Flammendochten. Die neuen Mitspieler hatten sie aus dem Trupp der Okzitanier rekrutiert, den pummeligen Pons und Guy den Fuchs. Terez und Berenice leisteten dem Trencavel Gesellschaft, sie kehrten -
    wohl auf Verlangen Rocs - dem Kelim ihre Rücken zu. Ich konnte ihre

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