Der Kelim der Prinzessin
mir den Eindruck eines schnürenden Fuchses.
»Guy de Muret hat allen Grund, uns zu meiden, dich wie mich!«
Jetzt gingen mir die Augen auf. »Der vom Krak de Mauclerc!?«, rutschte es mir vielleicht zu laut heraus, denn der Fuchs nahm Witterung auf und fixierte mich mit stechendem Blick, was mich empörte. »Mit dem habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen!«, zischte ich meinem Begleiter zu, doch der enthielt sich jeder weiteren Stellungnahme. Wir waren inzwischen uns so weit näher gekommen, dass es - der einen oder der anderen Seite -
zukam, das erste Wort der Begrüßung auszusprechen. Das tat David.
»Willkommen, Freunde des Trencavel!« Damit war das Eis gebrochen, aber schon sah ich mich Guy de Muret gegenüber, der seine Kutte als Dominikaner inzwischen mit einer Ritterrüstung vertauscht hatte.
»William von Roebruk«, sprach mich der Kerl mit falscher Freundlichkeit an, »lasst uns ein paar Schritte beiseite tun!« Ohne meine Einwilligung abzuwarten, führte er mich von den anderen weg in die Wüste. »Ihr haltet mich für den Inquisitor«, begann er ohne Umschweife, »der Euch nach dem Leben trachtete?« Er hielt mich am Arm fest und zwang mich, ihm ins Auge zu sehen.
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»Nein!«, stieß er aus. »Ich habe Euch zwar peinlich befragt, wie man mich geheißen, aber Euren Tod durch gemeines Ertränken - « Ich ließ ihn reden. »Das hatte ich von vornherein abgelehnt!« Obgleich mir viele Fragen auf der Zunge brannten, hüllte ich mich weiterhin in verbissenes Schweigen. »Jakob Pantaleon schalt mich einen zahnlosen Hund seines Herrn, als ich mich seinem Willen widersetzte und Euch wieder hochziehen ließ aus dem Brunnen, den er Euch als kaltes Grab zugedacht - das müsst Ihr glauben!«
Ich vermied es, ihn anzuschauen, und murmelte nur: »Mag sein!«
Guy de Muret schien verzweifelt, zumindest spielte er die Mischung zwischen Zerknirschtheit und heldenhaftem Pathos sehr geschickt. »Ich werde es Euch, euch allen beweisen«, rief er aus, »dass ich ebenso treu zu Roc Trencavel stehe wie Ihr, dass ich bereit bin, mein Leben für das Königliche Paar zu geben!«
Ich war keineswegs überzeugt von seiner Läuterung von Saulus zu Paulus, doch was sollte ich tun?! So entgegnete ich trocken: »Wenigstens weiß ich von nun an, wenn mir eine Seite der von mir zu schreibenden Chronik fehlt, bei wem ich sie suchen muss!«
Guy nahm meinen Sarkasmus für bare Münze. »Ich werde über Euren Schlaf wachen wie ein Erzengel, William, und über die Chronik wie ein feuriger Drache!«
Da musste ich lachen. »So lange niemand die beiden gegeneinander vertauscht!« Ich schlug ihm aufmunternd auf die Schulter -nicht minder falsch in der Gesinnung, wie ich sie meinerseits Guy de Muret unterstellte. »Alles andere wird die Zukunft zeigen!«
Am Horizont der Wüste versank als feuerrote Scheibe das Sonnengestirn. Wir gingen zurück zu den anderen, mit denen David, mein einarmiger Templer, inzwischen bereits Freundschaft geschlossen hatte. Mich - und meine ruhmreiche Vergangenheit als »Hüter« der Kinder des Gral - kannten alle, wie ich mit einiger Befriedigung feststellen konnte. »Die Drei Okzitanier«, so nannte Pons, dicklicher Spross des Vizegrafen von Tarascon und der Jüngste im Bunde, voller Stolz sich und seine Gefährten, waren mit dem Schicksal und der geheimnisvollen Bestimmung von Roc Trencavel
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und Yeza Esclarmunde vom Hörensagen noch von ihrer gemeinsamen Heimat her vertraut. Unbestrittener Anführer der Bande war Terez de Foix, zweifellos auch der Größte und Schönste, und er galt auch als die stärkste Schwerthand von allen dreien, angeblich ein Bastardsohn des edlen Grafen von Foix. Und zu diesen zählte nun auch wieder ihr Jugendfreund Guy de Muret, nachdem er seinen Irrweg als canis Domini endlich verlassen und zu seinen alten Kumpanen zurückgefunden hatte.
»Der vierte Ritter, den Ihr hier seht, William von Roebruk«, gab der dicke Pons noch zum Besten, »ist ein falscher Hase!« Der Dicke ließ sich genüsslich Zeit, während meine Augen flink hinüberwanderten zu der hochgewachsenen, schlanken Gestalt, die sich neben Terez de Foix erhob. Ein schlankes, kühnes Gesicht, das dem kaum einen Finger größeren Ritter in Fragen der Anmut den ersten Rang durchaus streitig machen konnte.
»Doch im Sattel und im Stechen steht sie ihren Mann, Berenice Comtesse de Foix -mein Schwesterlein!« Pons war nicht minder stolz auf sie als ihr Ehemann Terez. Ein edles Paar, musste ich neidvoll eingestehen,
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