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Der Kelim der Prinzessin

Der Kelim der Prinzessin

Titel: Der Kelim der Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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während Berenice ihren Helm abnahm und ihr volles dunkles Haar ausschüttelte.
    »Schaut sie Euch nur recht schön, Bruder William!«, frotzelte mein neuer Freund Guy de Muret sich anbiedernd.
    »Ihr müsst lange kein Weib mehr vor dem Klöppel gehabt haben, dass Ihr diese hagere Stute so begehrlich mit Euren Augen verschlingt!«
    Ich ärgerte mich über solche Vertraulichkeit, die mir - was wohl beabsichtigt - meinen Lusttraum schmälerte, hatte ich mich doch schon zwischen diesen zachen Schenkeln eingebettet. Der ranke Knabenarsch wollte mir plötzlich nicht mehr recht gefallen. »Schert Euch zum Teufel, Guy de Muret!«
    Als hätte Berenice unseren Disput erahnt, schenkte sie mir ein liebreizendes, schüchternes Lächeln. »Lasst uns jetzt alle zusammen hinübergehen zu Roc Trencavel, um ihn unserer Gefolgschaft zu versichern«, forderte sie uns auf, »die wir übrigens nie infrage gestellt!«
    Das war an mich gerichtet, und ich musste die ranke Pallas Athene jetzt bitter enttäuschen. »Auf mich zählt nicht«, warf ich so
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    bedeutungslos hin wie mir möglich, »ich werde Euch morgen - für einige Zeit - verlassen!«
    NICHT DIE FRÜH EINSETZENDE HITZE des Frühjahres machte den Damaszenern zu schaffen, sondern das
    untätige Verhalten ihres Sultans hatte sich lähmend über alles Leben der syrischen Hauptstadt gelegt. An-Nasir zeigte sich nicht mehr in der Öffentlichkeit, die Tore des Palastes blieben verschlossen. Dann hieß es, die Zitadelle würde durch zusätzliche Truppen in einen Verteidigungszustand versetzt, der es erlauben würde, sie zu halten, bis Hilfe eingetroffen sei. Hilfe von wem?! Aleppo war gefallen, die Emire von Shaizar, Hama und Homs hatten sich nacheinander dem Heer der von Norden langsam, aber unaufhaltsam heranrückenden Mongolen unter ihrem Il-Khan Hulagu ergeben, das hatte in den Soukhs der Altstadt und im Bazar auch niemand anders erwartet, und die noch eintreffenden Handelskarawanen aus der Gegend konnten die wesentlich schneller reisenden schlechten Nachrichten auch nur bestätigen. Dann kam das Gerücht auf - oder der Palast hatte es gestreut -, aus dem Süden rücke eine gewaltige Armee der Ägypter heran, nur gesehen hatte sie keiner, abgesehen davon, dass immer weniger Händler noch von dort sich ausgerechnet nach Damaskus begaben, um sich dem wohl
    unvermeidlichen Schicksal der Stadt auszuliefern. Der Handel in den einst so geschäftigen engen Straßen der Soukhs kam langsam zum Erliegen. Als schließlich mitten in der Nacht die Armee des Sultans ausrückte, nahm jeder an, es handele sich um die angekündigte Verstärkung der Garnison auf der Zitadelle, denn die Bevölkerung erwartete von An-Nasir, dass er, wenn auch durch hohe Mauern gut geschützt, in ihrer Mitte ausharren, ihr Los teilen würde. Doch die Truppen riegelten alle Zufahrtswege zum Palast ab, bis hin zur Moschee, schlössen den Bazar und rückten dann - ohne die Zitadelle auch nur in ihre ringförmige Bewegung mit einzubeziehen - bis zum Bab as-Saghir vor, dem wichtigsten Tor in der Stadtmauer - gen Süden! Dieses Manöver beunruhigte die Bürger sehr, denn sie hatten gehofft, dass die Wälle
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    der Stadt nicht bemannt würden, schon um nicht den Zorn der Mongolen heraufzubeschwören. Vor allem, welchen Sinn sollte es machen, die Südmauer zu verteidigen, wo doch der Ansturm mit Sicherheit aus dem Norden zu erwarten war? - Dann hieß es, man habe den Elefanten des Sultans gesehen, umgeben von der Leibwache des An-Nasir, das deutete auf ein kriegerisches Unternehmen hin. War doch eine Armee der Mamelucken im Anmarsch, um die bedrohte Stadt zu entsetzen? Die Damaszener schliefen schlecht in dieser Nacht - oder gar nicht! Ihre Häuser zu verlassen schien ihnen nicht ratsam. Die Palastgarde wie auch die Wachen sprangen sowieso in solchen Situationen recht rüde mit der Bevölkerung um, und heute wirkten sie besonders gereizt. Die Nachrichten vom Truppenaufmarsch waren höchst widersprüchlich, es sickerte durch, dass es zu einer Meuterei gekommen sei, doch keiner wusste zu sagen, warum, beziehungsweise: Wer gegen wen?
    Jedenfalls zogen Soldaten kreuz und quer durch die Innenstadt, Leute, die in der Nähe der Mauern wohnten, wollten Waffenlärm gehört haben, berichteten von Tumulten in der Nähe des Bab as-Saghir, es sollte zu Plünderungen gekommen sein, aber auch zum massenhaften Niederlegen von Waffen. Als der Morgen graute, trauten sich die Händler des Bazars als Erste hinaus. Vor ihren Läden und Bänken

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