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Der Keller

Der Keller

Titel: Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Dersch
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fiel ihm in diesem Augeblick schwer sie noch weiter anzulügen. Eigentlich war es ihm noch nie wirklich leicht gefallen ihr Lügen aufzutischen. Bei den meisten Unwahrheiten handelte es sich aber nur um alltägliche Dinge, über die er nicht einmal richtig nachdachte und die ihm daher leicht über die Lippen gingen.
    Liebling, hast du denn Müll raus gebracht?
    Aber natürlich Schatz!
    Das hier war aber etwas völlig anderes. Es war eine geplante Lüge. Eine vorsätzliche Lüge, sagte der Jurist in seinem Kopf und gerade deswegen fühlte Roger sich so unwohl. Gleichzeitig redete er sich aber auch ein, dass es das Beste für sie und das Baby war, wenn sie sich nicht aufregte. Also tat er das was in diesem Fall zu tun war: Er entschloss sich dazu weiter zu lügen. Wenn man damit erst einmal so richtig in Fahrt gekommen war, dann war es schwierig damit aufzuhören. Er kam sich so vor wie ein Schneeball, der einen steilen Hang mit Pulverschnee hinunter rollte und dabei immer größer wurde.
    „ Erde an Roger, Erde an Roger, krshhhh“, sagte Linda und ihre Sorgenfalten glätteten sich, „hörst du mir überhaupt zu? Ist es wegen des Mörtels?“
    „ Ja“, sagte Roger vollkommen gelassen, „wegen des Mörtels. Die Ratten könnten zurückkommen solange der Mörtel noch nicht trocken ist und die Mauer erneut durchbrechen. Dann müsste die ganze Arbeit noch einmal gemacht werden und das wäre dann mit weitern Kosten verbunden. Wilcox hat zwar gesagt, dass es relativ unwahrscheinlich wäre, aber ich wollte daraufhin natürlich kein Risiko eingehen.“
    „ Also zuerst die Ratten vergiften und dann die Mauer richten, oder“, fragte Linda.
    „ Genau Liebling“, sagte Roger und strich ihr mit der Hand durch das dunkelblonde Haar, „darum gehe ich nach dem Abendessen runter in den Keller und erledige die verdammten Bastarde. Dann haben wir bald auch wieder nachts ruhig schlafen können.“
    „ Ok, mein kleiner Kleinstadtrattenkiller“, sagte Linda, beugte sich zu ihm vor und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, „aber wenn du da unten bist, dann komm mir nicht auf die Idee dich am Bier zu vergreifen.“
    „ So ist es eben im Krieg, - es gibt eben gewisse Kollateralschäden“, sagte Roger und prustete los.
    Im gleichen Augenblick kamen Sam und Chico ins Wohnzimmer gestürmt und machten es sich auf dem Sessel gegenüber der Couch bequem. So saßen sie noch eine halbe Stunde, unterhielten sich, machten scherze und warteten darauf, dass der Braten fertig wurde. Roger war froh darüber, dass Sam das Gespräch in eine andere Bahn lenkte und seinen Vater dadurch davor befreite Linda weiter anzulügen.
    Anschließend gab es Abendessen und während Linda und Sam es sich vor dem Fernseher gemütlich machten, verschwand mit dem Rattengift im Keller.

13.

    Bevor Roger das Gift aus der Papiertüte nahm, fischte er ein Bier aus der Kiste, die unter der Kellertreppe stand. Er nahm einen großen Schluck, machte eine Pause und nahm dann noch einen. Das Bier schmeckte köstlich. Auch wenn es nicht viele Dinge gab in denen Roger seinem Vater Recht gegeben hatte, so musste er sich in dieser Hinsicht geschlagen geben. Bier hatte im Keller tatsächlich immer die perfekte Temperatur, völlig unabhängig von der Jahreszeit. Er nahm einen weiteren Schluck, stellte die leere Bierflasche zurück in die Kiste und holte eine Packung des Rattengiftes aus der Papiertüte.
    Er las sich noch einmal die Gebrauchanweisung auf der Rückseite durch und öffnete anschließend den Sicherheitsverschluss. Das Gift sah für ihn auf den ersten Blick aus wie ausgetrocknete Schuhpolitur. Roger war enttäuscht. Das lag wahrscheinlich daran, dass er in seiner Kindheit zu viele Comichefte gelesen hatte und dass er sich das Gift wahrscheinlich gerade deswegen ein bisschen anders vorgestellt hatte. Denn obwohl er inzwischen ein Mann Mitte Dreißig war, so hatte er in der Verpackung dennoch eine giftgrüne Substanz erwartet, die im Halbdunkeln des Kellers schwach leuchtete und heftig stank. Im Vergleich dazu war die Realität nur wenig spektakulär. Nein, sie war sogar ein bisschen langweilig.
    Das Gift war milchigtrüb und hätte auf den ersten Blick auch als gewöhnliches Schmiermittel durchgehen können. Der Geruch hielt sich ebenfalls in Grenzen. Nur ein leichtes chemisches Aroma stieg ihm in die Nase.
    Roger stellte das Rattengift auf den Kellerboden und schaute sich im Keller nach einem Spachtel um. Er trat einen Schritt zurück und im gleichen Moment spürte er

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