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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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von dem Mann, der ihn von hinten angegriffen hatte, wand einen Arm aus der Umklammerung des anderen und versetzte ihm einen kräftigen Hieb auf die Nase. Doch ein zweiter Schlag auf den Kopf ließ Elave halbbetäubt auf die Knie sinken. Von weitem hörte er Stimmen, die sich über derartige Gewalttätigkeiten auf geheiligtem Grund empörten, und mit Sandalen bekleidete Füße, die hastig über die Kopfsteine herbeieilten. Es war sein Glück, daß die Brüder gerade ihre jeweiligen Beschäftigungen unterbrochen und sich beim Ertönen der Glocke versammelt hatten.
    Bruder Edmund, vom Hospital kommend, und Bruder Cadfael von der Biegung des Pfades zum Garten stürmten mit fliegenden Gewändern auf das ungehörige Getümmel zu.
    »Aufhören! Sofort aufhören!« rief Edmund, empört über die schändliche Tat, und schwenkte erregt die Arme gegen sämtliche Beteiligten.
    Bruder Cadfael, der seine Schritte noch weiter beschleunigt hatte, vergeudete keinen Atem zu Vorwürfen, sondern griff mit beiden Fäusten nach dem zu einem dritten Schlag auf den bereits blutenden Kopf des Opfers erhobenen Knüttel, fing ihn in der Luft ab und entwand ihn der Hand, die ihn hielt. Der übereifrige Stallbursche schrie wütend auf. Die drei Jäger hörten auf, auf ihren Gefangenen einzuschlagen, hielten ihn aber nach wie vor fest, zerrten ihn hoch und klemmten ihn zwischen sich ein, als könnte er ihnen durch die Finger schlüpfen und wie ein Hase durch das Tor hinausjagen.
    »Wir haben ihn!« erklärten sie fast einstimmig. »Er ist es, es ist der Ketzer! Er wollte sich aus dem Staub machen, aber wir haben ihn, sicher und heil …«
    »Heil?« unterbrach Cadfael ihr Siegesgeschrei. »Ihr habt den Jungen fast umgebracht. Mußtet ihr unbedingt zu dritt über einen Mann herfallen? Hier war er, innerhalb der Mauern, mußtet ihr ihm da noch den Schädel einschlagen?«
    »Wir haben den ganzen Nachmittag nach ihm gesucht«, protestierte der massige Mann im Selbstbewußtsein seiner eigenen Tüchtigkeit, »wie Chorherr Gerbert es uns befohlen hatte. Sollten wir etwa bei so einem Kerl ein Risiko eingehen, als wir ihn endlich hatten? Findet ihn und bringt ihn zurück, so lautete unser Auftrag, und hier ist er.«
    »Ihn bringen?« sagte Cadfael, schob einen von Elaves Häschern ohne viel Federlesens beiseite, um seinen Platz einzunehmen, und legte einen Arm um den jungen Mann, um ihn zu stützen. »Ic h habe von der Hecke dort drüben aus gesehen, wer ihn zurückgebracht hat! Er ist aus freien Stücken hier hereingekommen. Das könnt Ihr Euch nicht als Verdienst anrechnen, und auf die Art, wie ihr mit ihm umgegangen seid, braucht Ihr auch nicht stolz zu sein. Was hat Euren Herrn überhaupt veranlaßt, Jagd auf ihn machen zu lassen? Er hat sein Wort gegeben, daß er nicht flüchten würde, und der Vater Abt hat ihm gesagt, fürs erste dürfe er kommen und gehen, wie es ihm beliebt. Aber anscheinend war ein Versprechen, das für unseren Abt gut genug war, nicht gut genug für den Chorherrn Gerbert.«
    Inzwischen hatten sich drei oder vier andere Brüder um sie geschart, und nun eilte Prior Robert, von der Ecke des Kreuzganges kommend, auf sie zu, offensichtlich entrüstet über das, was allem Anschein nach eine erregte und regelwidrige, die Prozession zum Vespergottesdienst störende Versammlung war.
    »Was soll das? Was geht hier vor? Habt Ihr die Glocke nicht gehört?« Sein Blick fiel auf Elave, der, auf unsicheren Beinen stehend, von Cadfael und Edmund gestützt wurde; seine Kleidung war staubig und zerrissen, seine Stirn und seine Wangen blutbeschmiert. »Oh«, sagte er, »sie haben Euch also zurückgebracht. Wie es scheint, ist Euch Euer Fluchtversuch teuer zu stehen gekommen. Es tut mir leid, daß Ihr verletzt worden seid, aber Ihr hättet nicht vor dem Gericht davonlaufen dürfen.«
    »Ich bin nicht vor dem Gericht davongelaufen«, sagte Elave keuchend. »Der Herr Abt hat mir gestattet, nach Belieben zu kommen und zu gehen, auf mein Wort hin, daß ich nicht davonlaufen würde. Und ich bin nicht davongelaufen.«
    »So ist es«, sagte Cadfael, »er kam aus freien Stücken hier herein. Er war auf dem Weg zum Gästehaus, in dem er wie alle anderen Reisenden untergebracht ist, als diese Männer über ihn herfielen. Jetzt behaupten sie, sie hätten ihn auf Befehl des Chorherrn Gerbert wieder eingefangen. Hat er wirklich einen solchen Befehl gegeben?«
    »Chorherr Gerbert hat es so verstanden, daß die ihm zugestandene Bewegungsfreiheit nur für das

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