Der Ketzerlehrling
Gebiet innerhalb der Enklave gilt«, sagte der Prior scharf. »Und der Ansicht bin ich auch. Als festgestellt wurde, daß der Mann sich nicht mehr auf dem Hof befand, nahmen wir an, daß er flüchten wollte.
Aber es tut mir leid, daß wir so grob mit ihm umgehen mußten.
Und was machen wir jetzt? Er braucht Hilfe … Bruder Cadfael, kümmert Euch um seine Verletzungen; ich suche nach der Vesper den Abt auf und berichte ihm, was geschehen ist. Es könnte sein, daß er für sich allein untergebracht werden soll …«
Was bedeutete, dachte Cadfael, in einer Zelle, hinter Schloß und Riegel. Nun, das würde wenigstens diese groben Flegel von ihm fernhalten. Aber warten wir ab, was der Abt dazu zu sagen hat.
»Wenn ich der Vesper fernbleiben darf«, sagte er, »bringe ich ihn zuerst ins Hospital und versorge seine Wunden. Eine bewaffnete Eskorte ist nicht erforderlich, bei dem Zustand, in dem er sich befindet. Ich bleibe bei ihm, bis der Vater Abt entschieden hat, was weiter mit ihm geschehen soll.«
»Nun«, sagte Cadfael, während er in dem kleinen Vorraum des Hospitals, in dem der Medizinschrank stand, das Blut von Elaves Kopf abtupfte, »wenigstens habt Ihr es zweien von ihnen ganz gut heimgezahlt. Ihr werdet zwar eine Zeitlang teuflische Kopfschmerzen haben, aber Ihr habt einen harten Schädel, und bleibender Schaden ist nicht zu befürchten. Ich weiß nicht recht – aber ich glaube, in einer Büßerzelle seid Ihr ganz gut aufgehoben, bis sich der Sturm wieder gelegt hat. Das Bett ist das gleiche wie alle anderen auch, die Zelle ist angenehm kühl bei diesem Wetter, es steht ein kleines Lesepult darin – man erwartet von unseren Delinquenten, daß sie die Zeit ihrer Gefangenschaft damit verbringen, ihre Seelen zu erbauen und ihre Sünden zu bereuen. Könnt Ihr lesen?«
»Ja«, sagte Elave, passiv unter den fürsorglichen Händen.
»Dann könnten wir für Euch Bücher aus der Bibliothek erbitten. Der rechte Kurs bei einem jungen Mann, der in die Irre gegangen ist und nicht gutgeheißenen Überzeugungen anhängt, besteht darin, ihn mit den Werken der Kirchenväter zu traktieren und ihn mit gutem Rat und frommen Argumenten aufzusuchen. Mit mir, der sich um Eure Wunden kümmert, und Bruder Anselm, der sich mit Euch über diese Welt und die nächste unterhält, habt Ihr so ziemlich die beste Gesellschaft, die Ihr in diesem Kloster haben könnt – und noch dazu mit offizieller Billigung. Und in einer Einzelzelle seid Ihr sicher vor Narren und übereifrigen Schwachköpfen, die zu dritt über einen einzelnen Mann herfallen. Und nun haltet still! Tut das weh?«
»Nein«, sagte Elave, seltsam beruhigt von diesem Redeschwall, obwohl er nicht recht wußte, was er davon halten sollte. »Glaubt Ihr, daß sie mich in eine Zelle einschließen werden?«
»Ich nehme an, daß Chorherr Gerbert darauf bestehen wird.
Und es ist nicht so einfach, sich dem Abgesandten des Erzbischofs in solchen Dingen zu widersetzen. Wie ich höre, sind sie zu dem Schluß gekommen, daß Euer Fall nicht einfach abgetan werden kann. Das ist Gerberts Spruch. Der des Abtes lautet, daß, wenn die Sache weiter verfolgt werden soll, das durch Euren eigenen Bischof geschehen müsse, und daß nichts unternommen wird, bevor dieser erklärt hat, was weiterhin geschehen soll. Der kleine Serlo macht sich morgen früh auf den Weg nach Coventry, um ihm über alles, was vorgefallen ist, Bericht zu erstatten. Also kann Euch nichts passieren. Niemand kann Euch verhören oder bedrängen, bis Bischof de Clinton seine Entscheidung getroffen hat.
Inzwischen spricht nichts dagegen, daß Ihr Eure Zeit so angenehm wie möglich verbringt. Anselm hat eine recht anständige Bibliothek aufgebaut.«
»Ich glaube«, sagte Elave mit – trotz seines schmerzenden Kopfs – neu erwachtem Interesse, »ich würde gern den heiligen Augustinus lesen und herausfinden, ob er das, was er geschrieben haben soll, tatsächlich geschrieben hat.«
»Über die Zahl der Auserwählten? Ja, das hat er, in einer Abhandlung mit dem Titel ›De Correptione et Gratia‹, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht. Ich habe sie nie gelesen; ich habe sie nur gehört, als sie im Refektorium vorgelesen wurde. Versteht Ihr genug Latein? In dieser Hinsicht könnte ich Euch nicht viel helfen. Anselm kann es.«
»Es ist merkwürdig«, sagte Elave mit tiefer Nachdenklichkeit über den Lauf der Dinge, der ihn in diese eigenartige Situation gebracht hatte, »all die Jahre habe ich für Master William
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