Der Ketzerlehrling
das gar nicht. Vor der Zeit seiner Abwesenheit lagen viele Jahre.
Ich habe ihn schon damals gemocht, mehr, als er wußte.«
»Und wenn ich mich recht erinnere, hast du heute mit ihm gesprochen«, sagte er scharf, »nach seinem Verhör in der Abtei.«
»Ja«, sagte sie.
»Und danach, nehme ich an, weiß er besser, wie gern du ihn hast! Und hat er dir Grund zu der Annahme gegeben, daß er dich ebenso gern hat wie du ihn?«
»Grund genug. Er hat gesagt, selbst wenn es keine anderen Gründe gäbe, so wäre ich allein Grund genug für sein Bleiben, ungeachtet der Gefahr, in der er sich hier befindet. Onkel, du weißt, daß ich jetzt von William eine Mitgift habe. Wenn mein Vater heimkommt und die Schatulle geöffnet wird, dann möchte ich das, was er mir vermacht hat, dazu benutzen, Elave zu helfen. Zum Bezahlen seiner Geldbuße, wenn er seine Schuld mit Geld abtragen darf, zum Erkaufen seiner Freiheit, wenn er eingesperrt wird, schlimmstenfalls sogar zum Bestechen seiner Wärter, damit wir ihn über die Grenze schaffen können.«
»Und du würdest dich nicht schuldig fühlen«, sagte Jevan mit einem harten, dunklen Lächeln, »wenn du gegen das Gesetz handelst und die Kirche verspottest?«
»Nein. Er hat nichts Böses getan. Wenn sie ihn verurteilen, sind sie es, die sich schuldig machen. Aber ich habe vor, Vater zu bitten, daß er ein Wort für ihn einlegt. Als ein Mann, der ihn kennt und der von allen respektiert wird, von den Gesetzeshütern, der Kirche und allen anderen. Wenn Girard von Lythwood für sein künftiges Verhalten bürgt, dann wird man gewiß auf ihn hören.«
»Das kann schon sein«, pflichtete Jevan ihr bei. »Es sollte auf jeden Fall geschehen, und auch sonst sollte nichts unversucht gelassen werden. Ich sagte es schon – wenn du ihn haben willst, dann soll und wird Elave als einer unserer Leute gelten. So, und nun ins Bett, und schlaf unbesorgt. Wer weiß, welcher Zauber zum Vorschein kommt, wenn Williams Schatulle geöffnet wird?«
Conan kam spät, aber nicht zu spät, kurz bevor die Tür abgeschlossen wurde, nur leicht berauscht, nachdem er, wie er offen zugab, mit einem halben Dutzend Zechbrüdern im Alehaus in Mardol das Ende des Tages gefeiert hatte.
Aldwin kam überhaupt nicht nach Hause.
7. Kapitel
Bruder Cadfael stand schon eine Weile vor der Prim auf, nahm seine Tasche und machte sich auf, um einige der Uferpflanzen zu sammeln, deren Blätter jetzt in vollem Saft standen. Der Morgen wurde von einer leichten Wolkendecke verschleiert, durch die die Sonne in perlmutterartigen, blaßrosa und dunstig blauen Tönen hindurchschimmerte. Später würde es wieder klar und heiß werden. Als er durch das Tor hinauswanderte, hatte ein Stallbursche gerade Serlos Maultier aus dem Stall geholt, und der Diakon des Bischofs trat reisefertig aus dem Gästehaus; am oberen Ende der Treppe blieb er stehen und holte tief Luft, als empfände er den einsamen Ritt nach Coventry, verglichen mit der Reise in Gerberts anmaßender Gesellschaft, als erholsamen Urlaub.
Sein Auftrag dagegen mochte ihn weniger freuen. Den Bischof über eine Anklage zu informieren, die die Freiheit und das Leben eines jungen Mannes bedrohen konnte, entsprach kaum seiner empfindsamen Seele; aber er würde dem Angeklagten so viel Gerechtigkeit widerfahren lassen, wie er nur konnte.
Roger de Clinton war ein hochangesehener Mann, zwar streng, aber fromm und gütig, ein Begründer religiöser Institutionen und Unterstützer armer Priester. Noch bestand die Aussicht, daß für Elave alles gut endete, sofern er nicht zuließ, daß seine neuentdeckte Vorliebe für ungezügelte Gedanken mit ihm durchging.
Ich muß Anselm um ein paar Bücher für ihn bitten, erinnerte sich Cadfael, als er die staubige Straße verließ und den grünen Pfad zum Flußufer hinabwanderte, zwischen Sträuchern hindurch, die jetzt, der Jahreszeit entsprechend, üppig wucherten und Flüchtlingen oder den Tieren des Waldes eine Fülle von Verstecken boten. Die Gemüsegärten der Gaye zogen sich grün und gepflegt am Flußufer entlang, und das ungemähte Gras der Uferböschung bildete eine dichte, smaragdgrüne Barriere zwischen dem Wasser und dem bestellten Land. Dahinter lagen die Obstgärten, dann kamen Getreidefelder und die aufgegebene Mühle und schließlich Bäume und Sträucher, die sich, über die schnelle, lautlose Strömung geneigt, an einem überhängenden Uferstreifen zusammendrängten; hier und dort gab es kleine Buchten, in denen das Wasser
Weitere Kostenlose Bücher