Der Ketzerlehrling
ein gutes Wort einzulegen – ein Augustiner wird sich gewiß anhören, was ein anderer Augustiner zu sagen hat. Auch der Prior ist mir ein oder zwei Gefälligkeiten schuldig.«
Er gab sie frei und war seinerseits auf dem Weg zur Tür, als sie plötzlich fragte: »Onkel – zählt Elave auch zu unseren Leuten?«
Jevan fuhr herum und starrte sie an. Seine dünnen schwarzen Brauen waren erhoben, und in den dunklen Augen unter ihnen blitzte ein Lächeln auf, das selten kam, dann aber strahlend war, ein wenig spöttisch, ein wenig einschüchternd, aber für sie immer beruhigend.
»Wenn du ihn haben möchtest«, sagte er, »dann zählt er zu ihnen.«
Elave hatte auf dem Rückweg zum Torhaus der Abtei erst wenige Schritte zurückgelegt, als er sah, wie eine Rotte von Männern durch das offene Tor stürmte und sich am Rande der Vorstadt in zwei Gruppen teilte. Die Plötzlichkeit ihres Erscheinens und der ferne Lärm ihrer erhobenen Stimmen, als sie zum Vorschein kamen und sich trennten, veranlaßte ihn, schnell wieder in die Deckung der Bäume zurückzuweichen und sich zu fragen, ob die Aktion etwas mit ihm zu tun haben mochte. Sie waren eindeutig als Trupp ausgeschickt worden, und sie hatten Knüttel, was nichts Gutes verhieß, falls sie tatsächlich hinter ihm her waren. Er bahnte sich vorsichtig seinen Weg zwischen den Bäumen hindurch, um sie deutlicher sehen zu können. Sie suchten zuerst die offene Straße ab, bevor sie ihre Suche ausdehnten; zwei von ihnen liefen bereits an der Mauer der Enklave entlang, um die Ecke zu erreichen und einen Blick auf das nächste Stück der Straße werfen zu können. Kein Zweifel, es wurde Jagd gemacht auf jemanden oder etwas. Nicht von einem der Brüder. Es waren keine schwarzen Kutten zu sehen, nur nüchterner Alltagswollstoff und abgetragenes Leder an stämmigen Laien. In dreien von ihnen erkannte er die Stallburschen, die den Chorherrn Gerbert begleiteten, der vierte war sein Leibdiener – Elave hatte den Mann im Gästehaus gesehen, geschäftig und anmaßend, ein Mann, der sich im Glanz der Stellung seines Herrn sonnte. Die anderen waren gewiß unter denjenigen Pilgern rekrutiert worden, die am kräftigsten und am ehesten bereit waren, ihren Eifer unter Beweis zu stellen. Es war nicht der Abt, der die Hunde auf ihn gehetzt hatte, sondern Gerbert.
Er wich tiefer zwischen die Bäume zurück und beobachtete stirnrunzelnd die Jäger, die die Vorstadt absuchten. Er hatte nicht die Absicht, sich zu zeigen und zu riskieren, daß er ergriffen und zurückgeschleppt wurde wie ein Verbrecher; schließlich hatte er, jedenfalls nach seinem Verständnis seines Versprechens, sein Wort gehalten. Vielleicht hatte Chorherr Gerbert es anders ausgelegt und sah in seinem Hinausgehen durch das Tor, selbst ohne seine Habe, den Beweis dafür, daß er sich schuldig fühlte und flüchten wollte. Nun, er würde ihm die Genugtuung nicht verschaffen, diese Ansicht bestätigt zu sehen. Elave hatte vor, auf seinen eigenen Füßen durch das Tor zurückzukehren, aus eigenem, hartnäckigem Willen, getreu seinem Versprechen, auch wenn er damit seine Freiheit und vielleicht sogar sein Leben aufs Spiel setzte. Die Gefahr, an die zu glauben er sich bisher gewehrt hatte, sah jetzt erheblich wirklicher und bedrohlicher aus.
Sie hatten einen der Stallburschen, den stämmigsten von den dreien, als Wächter vor dem Torhaus zurückgelassen, wo er jetzt hin-und herwanderte, als könnten weder Zeit noch Gewalt ihn von seinem Posten vertreiben. An diesem massigen, sehnigen Brocken würde er kaum vorbeikommen! Und zwei der Jäger überquerten jetzt, nachdem sie die Straße, die Gärten und die Hütten der Vorstadt auf hundert Meter in beiden Richtungen abgesucht hatten, zielstrebig die Straße und näherten sich den Bäumen. Er würde gut daran tun, sich an einen sicheren Ort zurückzuziehen, bis sie entweder die Suche abbrachen oder sich abgelegeneren Schlupfwinkeln zuwandten und ihn ungefährdet in die Enklave zurückkehren ließen. Elave machte sich eilig auf den Weg zwischen den Bäumen hindurch und folgte dem nordöstlichen Verlauf des Wäldchens, bis er die Obstgärten hinter der Gaye und das Gebüsch erreicht hatte, das das Flußufer säumte. Es war eher damit zu rechnen, daß sie in westlicher Richtung nach ihm suchten – an der Grenze, über die Engländer nach Wales und Waliser nach England flüchteten. Die Gesetzeshüter wurden an der Grenze zurückgehalten und durften sie nicht überschreiten, obwohl der
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