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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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herausgestürmt, ohne einen Blick nach rechts oder links zu werfen. Und wenn er, was höchst unwahrscheinlich war, das Messer beim Verhör bei sich getragen hatte, dann mußte es sich jetzt in der verschlossenen Zelle befinden. Hatte er es weggeworfen, würden Hughs Leute ihr Bestes tun, um es zu finden. In einem Punkt war sich Cadfael ganz sicher: er wollte nicht, daß Elave ein Mörder war.
    Gerade als Cadfael sich dem Torhaus näherte, kam jemand heraus und schlug die Richtung zur Stadt ein. Ein hochgewachsener, magerer, dunkelhaariger Mann, der im Gehen stirnrunzelnd den Staub der Vorstadt betrachtete. Er schüttelte den Kopf, als käme ihm irgend etwas höchst merkwürdig vor – etwas, das vermutlich nicht von allzu großem Belang, aber dennoch verwirrend war. Als Cadfael ihm einen guten Tag wünschte, fuhr er kurz aus seiner Gedankenverlorenheit auf und erwiderte den Gruß mit einem flüchtigen Blick und einem abwesenden Lächeln, bevor er sich wieder in die Angelegenheit zurückzog, die seinen Seelenfrieden störte.
    Gab es einen Zusammenhang zwischen dem, was vorgefallen war, und dem Umstand, daß Jevan von Lythwood um diese frühe Stunde beim Pförtner der Abtei erschien, nachdem der Schreiber seines Bruders in der letzten Nacht nicht nach Hause gekommen war? Cadfael hielt inne und sah ihm nach. Er hoffte, daß Jevan die Brücke überqueren würde, ohne einen Blick über die Brüstung auf die von der Sonne beschienene Ebene der Gaye hinunterzuwerfen, über die Will Nardens Männer vielleicht gerade in diesem Augenblick die Bahre mit Aldwins Leiche trugen. Es war besser, wenn Hugh vor ihm das Haus erreichte, um die Nachricht zu überbringen und ihrem Verhalten und ihren Antworten soviel wie möglich zu entnehmen, bevor sie mit ihrer Last eintrafen und die geschäftigen und anspruchsvollen Riten des Todes in Gang setzten.
    »Was wollte Jevan von Lythwood hier?« fragte Cadfael den Pförtner, der gerade eine sehr hübsche und lebhafte junge Stute hielt, während ihr Besitzer damit beschäftigt war, seine Satteltaschen festzuschnallen. Etliche Gäste würden heute abreisen, nachdem sie der heiligen Winifred ihre alljährliche Reverenz erwiesen hatten.
    »Er wollte wissen, ob sein Schreiber hier war«, sagte der Pförtner.
    »Weshalb nahm er an, daß sein Schreiber hiergewesen sein könnte?«
    »Er sagte, er hätte sich gestern wegen der Anklage gegen den jungen Mann, den wir hinter Schloß und Riegel haben, eines Besseren besonnen, sobald er begriffen hatte, daß der Junge nicht daran dachte, ihn aus seiner Stellung zu verdrängen. Er sagte, er hätte nichts Eiligeres zu tun gehabt, als hierherzukommen und zurückzunehmen, was er gegen ihn vorgebracht hat. Als ob das etwas geändert hätte! Es ist doch sinnlos, hinter einem abgeschossenen Pfeil herzurennen. Aber genau das wollte er tun, behauptet sein Herr.«
    »Was habt Ihr ihm gesagt?« fragte Cadfael.
    »Was sollte ich ihm schon sagen? Ich habe ihm gesagt, daß wir seinen Schreiber nicht wieder zu Gesicht bekommen haben, seit er gestern am frühen Nachmittag durch dieses Tor hinausging. Offenbar ist er letzte Nacht nicht nach Hause gekommen. Aber wo immer er gewesen sein mag – hier war er nicht.«
    Cadfael dachte mit einem etwas unguten Gefühl über diese neue Wendung der Dinge nach. »Wann ist dieser Sinneswandel eingetreten, und wann ist er aufgebrochen, um hierher zurückzukehren? Zu welcher Stunde?«
    »Ganz kurz, nachdem er zu Hause eingetroffen war, sagt Tevan. Nicht mehr als eine Stunde, nachdem er die Abtei verlassen hatte. Aber er ist nicht erschienen«, sagte der Pförtner gelassen. »Vermutlich hat er seine Meinung unterwegs abermals geändert und sich überlegt, daß er sich damit nur selbst schaden würde, ohne dem anderen Mann zu nützen.«
    Cadfael überquerte den Hof sehr nachdenklich. Die Prim hatte er bereits versäumt, aber bis zur Messe war noch reichlich Zeit; er konnte ohne weiteres zuerst in seine Hütte gehen, seine Tasche auspacken und dabei versuchen, über diese verworrenen und verwirrenden Ereignisse Klarheit zu gewinnen. Wenn Aldwin zur Abtei gekommen war, um den angerichteten Schaden wieder gutzumachen, dann wären, wenn er auf einen wütenden und erbosten Elave gestoßen wäre, nur einige hastige Worte der Reue erforderlich gewesen, um den Rächer zu entwaffnen. Weshalb einen Mann ermorden, der willens ist, zumindest den Versuch eines Widerrufs zu unternehmen? Dennoch, so mochten manche Leute argumentieren, würde ein

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