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Der Ketzerlehrling

Der Ketzerlehrling

Titel: Der Ketzerlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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nur, daß er bei der Familie seines Herrn lebte. Aber jenseits der Mühle, weiter stromaufwärts – nein, die ganze Gaye ist offenes Gelände. Da gibt es nichts, in dessen Schutz man einen Mord begehen könnte. Nichts bis hin zur Brücke.
    Aber wenn der Mann bei Tageslicht ermordet wurde und der Mörder ihn bis zum Anbruch der Dunkelheit in den Büschen liegengelassen hätte, dann hätte er gefunden werden können, bevor er ihn in den Fluß warf.«
    »Hätte das etwas ausgemacht?« fragte Cadfael. »Es wäre vielleicht ein wenig riskanter gewesen; aber einen Hinweis darauf, wer dem Mann den Dolch in den Rücken gestoßen hat, hätte es trotzdem nicht gegeben. Damit, daß er ihn flußabwärts treiben ließ, wollte er nur Verwirrung stiften, was Zeit und Ort der Tat angeht. Und das war vielleicht wichtig für den, der es getan hat.«
    »Nun, ich werde den Wollhändlern selbst die Nachricht überbringen und hören, was sie zu berichten haben.« Hugh schaute sich nach seinem Sergeanten und den vier Männern aus der Garnison der Burg um, die ein Stück abseits standen und auf seine Befehle warteten. »Will kann dafür sorgen, daß der Leichnam zu ihnen gebracht wird. Soweit ich weiß, hatte er kein anderes Zuhause, und sie müssen sich um seine Beerdigung kümmern. Kommt mit mir, Cadfael, wir wollen wenigstens einen Blick auf die Bäume an der Brücke und unter ihren Bogen werfen.«
    Sie machten sich gemeinsam auf den Weg, aus dem Baumgürtel heraus, über die Weizenfelder der Abtei und an der verlassenen Mühle vorbei. Sie hatten den am Wasser entlangführenden Weg erreicht, der den Küchengarten begrenzte, als Hugh mit einem kurzen, ein wenig gequälten Lächeln über die Schulter hinweg fragte: »Was sagtet Ihr – wie lange war Euer ketzerischer Pilger gestern in Freiheit?
    Während Chorherr Gerberts Stallburschen überall herumstreiften und vergeblich nach ihm suchten?«
    Die Frage kam leicht und beiläufig, aber Cadfael erkannte ihre Bedeutung und wußte, daß sie auch Hugh bewußt war.
    »Von ungefähr eine Stunde vor der None bis zur Vesper«, sagte er, und seine Stimme konnte seine uneingestandene Besorgnis nicht verbergen.
    »Und danach kehrte er in aller Unschuld in die Enklave zurück. Er hat nicht angegeben, wie er die dazwischenliegende Zeit verbracht hat?«
    »Bisher hat ihn niemand danach gefragt«, erklärte Cadfael.
    »Gut! Dann könnt Ihr mir behilflich sein, wenn Ihr wollt. Sagt niemandem in der Abtei etwas über diesen Mord und laßt nicht zu, daß jemand Elave verhört, bis ich es selbst tun kann. Ich werde bei Euch sein, bevor der Vormittag vorüber ist. Dann reden wir im stillen mit dem Abt, bevor jemand anders weiß, was vorgefallen ist. Ich möchte diesen Jungen selbst aufsuchen und mir anhören, was er zu sagen hat, bevor jemand anders ihn in die Finger bekommt. Ich nehme an, Ihr wißt«, sagte Hugh mit einem Anflug von Mitgefühl, »was seine Inquisitoren behaupten werden.«
    Cadfael verließ die Männer, die den Wald und das Gebüsch zu beiden Seiten des zum Fluß hinabführenden Pfades durchsuchten, und machte sich auf den Rückweg zur Abtei. Es widerstrebte ihm ein wenig, nicht weiter an der Suche nach dem Mörder teilnehmen zu können, und sei es auch nur für ein paar Stunden. Er war sich der nächstliegenden Folgerung aus Aldwins Tod vollauf bewußt, und er kannte Elave nicht gut genug, um sie ohne weiteres von der Hand zu weisen.
    Instinktive Sympathie reicht nicht aus, die Integrität eines Mannes außer Frage zu stellen, geschweige denn seine Unschuld an einem Mord, wenn ihn jemand niederträchtig verleumdet hat und der Zufall ihm die Gelegenheit bietet, sich an ihm zu rächen. Ein hitziges und aufbrausendes Temperament, das er zweifellos besaß, konnte den Rest besorgen, noch bevor er überhaupt nachdenken, geschweige denn sich eines Besseren besinnen konnte.
    Aber in den Rücken ?
    Nein, das konnte Cadfael sich nicht vorstellen. Hätte eine solche Begegnung stattgefunden, dann wäre sie von Angesicht zu Angesicht verlaufen. Und wie stand es mit dem Dolch?
    Besaß Elave überhaupt eine solche Waffe? Ein für alle möglichen Zwecke verwendbares Messer hatte er bestimmt, jeder vernünftige Reisende führte eines bei sich. Aber er würde es in der Abtei nicht mit sich herumtragen, und er hatte sich nicht damit aufgehalten, es aus dem Gästehaus zu holen, bevor er durch das Tor eilte, um Fortunata zu erreichen. Das konnte der Pförtner bezeugen. Er war direkt aus dem Kapitelsaal

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