Der Ketzerlehrling
Elave aussagen konnte.
Und sein Tod würde auch nicht das Ende der Angelegenheit bedeuten. Ganz im Gegenteil. Cadfael spürte, daß sich jetzt über diesen schwierigen jungen Mann in einer Büßerzelle der Abtei ein noch tieferer Schatten legte. Er hatte keine Zeit, über die möglichen Folgen nachzudenken, aber er war sich ihrer bewußt, als er über die Brücke und durch das Stadttor eilte, und sie gefielen ihm ganz und gar nicht. Es war besser, viel besser, zuerst Hugh aufzusuchen und ihm zu überlassen, die Bedeutung dieses Todesfalles zu bedenken, bevor andere, weniger vernünftige Leute sich in ihn verbissen.
»Wie lange«, fragte Hugh, während er den Toten aufmerksam betrachtete, »ist er Eurer Meinung nach schon im Wasser?«
Er fragte nicht Cadfael, sondern Madog, den Besitzer des Totenbootes, der eilends aus seiner Hütte an der Westbrücke herbeibeordert worden war. Es gab nur sehr weniges, das Madog über den Severn nicht wußte – er war sein Leben, so wie er zu Zeiten seiner gefährlichen Hochwasser der Tod vieler Menschen seiner Generation gewesen war. Sobald er einen Hinweis erhalten hatte, wo ein Unglücklicher ins Wasser geraten war, wußte Madog auch schon, wo der Fluß ihn vermutlich wieder hergeben würde, und an ihn wendete sich jeder, der Verlorenes wiederfinden wollte. Er kratzte nachdenklich in seinem buschigen Bart und betrachtete den Leichnam ohne Hast von Kopf bis Fuß. Bereits ein wenig aufgedunsen, mit grauer Haut und Pflanzenteilen im Haar, starrte Aldwin aus halbgeschlossenen Augen in den hellen Himmel empor.
»Bestimmt die ganze Nacht. Vielleicht zehn Stunden, aber vermutlich weniger, denn da wäre es noch hell gewesen. Ich nehme an«, sagte Madog, »daß er, bereits tot, irgendwo versteckt wurde, bis es dunkel war; dann wurde er in den Fluß geworfen. Den größten Teil der Nacht hat er da gelegen, wo Cadfael ihn gefunden hat. Wie wäre sonst noch Blut an ihm zu sehen? Wäre er nicht nur eine kurze Strecke weit geschwemmt worden, mit dem Gesicht nach unten, wie Ihr sagtet, dann hätte der Fluß alles abgewaschen.«
»Zwischen hier und der Brücke?« fragte Hugh und musterte den kleinen, dunkelhaarigen Waliser mit aufmerksamem Respekt. Der Sheriff und der Flußmann hatten schon oft zusammengearbeitet, und sie kannten einander gut.
»Bei diesem Wasserstand bezweifle ich, daß er die Brücke passiert hätte, wenn er oberhalb von ihr hineingeworfen worden wäre.«
Hugh ließ den Blick über die offene, grüne Ebene der Gaye schw eifen, die üppig und sonnig dalag, begrenzt durch den Saum aus Bäumen und Sträuchern. »Zwischen dieser Stelle und der Brücke kann nichts am hellichten Tag passiert sein.
Das Gesträuch hier ist die einzige Deckung, die am Wasser zu finden ist. Obwohl der Mann ein Leichtgewicht war, würde ihn bestimmt niemand sehr weit tragen oder ziehen wollen, um den Fluß zu erreichen. Und wenn er hier hineingeworfen wurde, dann hat derjenige, der ihn loswerden wollte, darauf geachtet, daß er ihn weit genug in die Strömung hinausbeförderte, damit er mindestens bis um die nächste Biegung herumgeschwemmt wurde. Was meint Ihr, Madog?«
Madog bestätigte es mit einem Nicken seines zottigen Kopfes.
»Es hat weder geregnet, noch ist Tau gefallen«, sagte Cadfael nachdenklich. »Gras und Boden sind trocken. Wenn er bis zum Einbruch der Dunkelheit versteckt wurde, dann wahrscheinlich in der Nähe des Ortes, an dem er getötet wurde.
Der Täter brauchte einen abgelegenen Ort und Deckung sowohl zum Morden als auch zum Verstecken des Toten.
Irgendwo müßten Blutspuren zu finden sein, im Gras oder dort, wo der Mörder ihn versteckt hat.«
»Wir können uns ja umsehen«, sagte Hugh ohne große Hoffnung, irgend etwas zu finden. »Die alte Mühle wäre ein Ort, an dem ein Mord ohne Zeugen begangen werden könnte. Ich lasse sie durchsuchen. Wir werden auch diesen Baumgürtel durchkämmen, aber ich bezweifle, daß wir dort etwas finden werden. Und was hätte dieser Mann in der Mühle zu suchen gehabt, oder auch hier? Ihr habt mir berichtet, wie er den Vormittag verbracht hat. Was er hinterher getan hat, erfahren wir vielleicht von seinen Leuten oben in der Stadt. Bisher weiß man dort noch nicht, was passiert ist. Vielleicht sind sie inzwischen unruhig und erkundigen sich, wenn sie herausgefunden haben, daß er die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen ist. Aber vielleicht ist das auch schon öfter vorgekommen, und niemand wundert sich. Ich weiß nicht viel über ihn,
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