Der Killer im Lorbeer
ihre Anwesenheit zuzugeben.« Sie erreichen den betongefassten Rand der Wiese. »Kannst du dir den massigen Mr Black im Netzhemd vorstellen, mit heißen Pants?«
»Ich möchte mir das, ehrlich gestanden, nicht vorstellen.« Rosy schlägt den Kragen hoch. »Es gibt Regen.«
»Wird auch Zeit. Der Frühling war bis jetzt viel zu trocken.« Sie drehen um. »Die Blacks sagen ihrem Babysitter, sie gehen in die Spätvorstellung im Kino. Stattdessen fahren sie in den Swingerclub.«
»Wie sie es regelmäßig jede Woche tun.«
»Gestern war aber nicht ihr Clubtag .«
»Black sagt, sie hatten eben Lust.«
»Man kann nicht immer vor der Glotze sitzen.«
Einige Schritte laufen sie schweigend.
»Wolltest du so was auch schon mal machen?«
»In den Swingerclub – mit Doris?« Ralph stippt die Asche ab. »Sie wird um neun Uhr müde. Dann ist mit ihr diesbezüglich nichts mehr anzufangen. Und wie steht’s mit dir und deinem Earl – entschuldige, mit Arthur?«
»Mehr als zwei Leute unter der Decke fände ich störend.« Rosy schlägt die Arme um sich. »Die Blacks sind um zehn aufgebrochen, nach Gloucester braucht man zwanzig Minuten. Laut Babysitter waren sie erst nach ein Uhr morgens wieder zurück.« Sie fallen in Gleichschritt. »Selbst wenn sie sich im Club ausgiebig amüsiert haben, blieb ihnen noch genügend Zeit, Mrs Lancaster zu treffen.«
»Weshalb hätten sie sie treffen sollen?«
»Um es ihr auszureden.«
»Was?«
»Mit mir zu sprechen.«
»Du bist überzeugt, dass die Lancaster zu dir wollte?«
»Siehst du eine andere Erklärung?« Rosy bleibt stehen. »Ich habe gespürt, sie hatte etwas auf dem Herzen. Hätte ich mich mehr darauf eingelassen, würde Mrs Lancaster wahrscheinlich noch leben.«
Erste Tropfen fallen. Ralph raucht. »Wenn sie reden wollte, hätte sie dich anrufen können. Wozu der Aufwand, nach Sutherly zu fahren?« Er spuckt Tabakkrümel aus.
»Kein Anruf in Abwesenheit? Keine Nachricht auf der Mailbox?«
Rosy schüttelt den Kopf. »Vielleicht gab es einen anderen Grund, weswegen sie mit mir persönlich sprechen wollte.« Sie schiebt die Unterlippe vor. »Entweder wusste Mrs Lancaster, wer Gwendolyns Mörder ist. Oder sie hatte einen dringenden Verdacht. Oder sie selbst –«
Ralph stoppt. »Glaubst du etwa, dass Mrs Lancaster die Treppe hochlief, um ein Geständnis abzulegen?«
»Können wir es völlig ausschließen?«
Ralph hat mit dieser Methode Rosys seine Probleme: Sie geht vom Unwahrscheinlichen aus, nimmt einen Umweg in Kauf und überrumpelt die Wahrheit damit quasi hinterrücks. Das ist nicht seine Art zu denken, aber er macht mit. »Die Schläge auf Miss Perrys Kopf waren nicht so brutal, dass nicht auch eine Frau sie ausgeführt haben könnte.« Er schießt den Pfeil zurück. »Und das Motiv?«
Eine Sekunde überlegt sie. »Mrs Lancaster liebte Gwendolyn heimlich – und mit Sicherheit unglücklich. Sie wusste von ihrer Affäre mit Gaunt. Sie wusste auch, dass es einen neuen Mann in Gwendolyns Leben gab.«
»Wenn es den wirklich gegeben hat.«
»Mrs Lancaster schien zu glauben, dass die Sache ernst war.« Rosy kneift die Augen zusammen, als würde sie in weiter Ferne eine Schrift entziffern. »Einsame Kindergärtnerin erschlägt heimliche Liebe aus Eifersucht?«
»Und weshalb wurde Mrs Lancaster dann umgebracht?«
Rosy stützt die Hände in die Hüften und starrt ins Gras. »Nein. Nein. Nein.«
Wenn sie die drei Neins verwendet, macht Rosy Kassensturz. Sie scheidet die Spreu vom Weizen, das Allerlei vom Wesentlichen. »Wir brauchen festen Grund unter den Füßen, Ralph.«
Er hätte das eine oder andere zu sagen, doch wenn Rosy klar Schiff macht, spricht Rosy vor allem mit Rosy. Sie blendet die Störgeräusche aus und diskutiert mit den eigenen Gedanken.
»Die Antwort liegt nicht bei Mrs Lancaster, sondern bei Gwendolyn Perry. Alles hat mit ihrem Charakter zu tun, mit dieser Art, die auf andere so faszinierend wirkte. Gwendolyn stellte sich selbst ins Zentrum ihrer Welt. Die Welt existierte nur, weil es Miss Perry gab. Sie wollte geliebt, nein, bewundert werden. Dabei schenkte sie selbst wenig Liebe zurück. Sie zog die Liebe der anderen auf sich, hüllte sich darin ein, doch dann stoppte sie die Menschen am Fuße der Eisentreppe.«
Ralph wirft Rosy einen überraschten Blick zu, sie neigt sonst nicht zu poetischen Metaphern. Der Himmel schüttet sein Wasserreservoir über der Wiese und den beiden Polizisten aus, die nicht wetterfest angezogen sind. Ralph würde
Weitere Kostenlose Bücher