Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Killer im Lorbeer

Der Killer im Lorbeer

Titel: Der Killer im Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Escroyne
Vom Netzwerk:
sieht mich auf dem eigenen Grundstück schon? Gartenpantoffel ohne Socken machen beim Laufen ein schmatzendes Geräusch.
    Das Schloss mutet idyllisch an, das Rosenlicht verschleiert den Verfall. Dunst über den Beeten, die Tulpen heben sich ihre Farben für den Moment auf, wenn die Sonne kommt. Die Einsäumungen sind ockerfarben, das Grau des Nussbaums lichtet sich. Den Lorbeer wird die Sonne als Letztes erreichen. Mit auf dem Rücken verschränkten Armen nähere ich mich der Nordecke. Am Buchentor bleibe ich stehen. Ich wünschte mir mehr Hoffnung.
    Habe ich das Wunder nicht schon einmal erlebt? Der Junikäfer saß in meinem Schneeball – Viburnum amplifolium. Der genügsame Strauch stammt aus der chinesischen Provinz Yunnan, er trägt duftende, schneeballförmige Blüten, die manchmal sogar im Winter austreiben. Die Herbstfärbung des Laubes vergoldet meinen Sträucherwall. Die Früchte sind purpurfarben bis schwarz.
    Der Junikäfer ist der schlimmste Feind des Schneeballs. In dem Jahr, als die Plage ausbrach, surrte und schwirrte es in ganz Gloucestershire. Meine Sträucher hatten Blüten getrieben, die den Käfer nicht interessieren. Stattdessen fraß er sich gierig durch das Laub, bis von den Blättern nur noch Gerippe übrig blieben. Ich stand kurz davor, die Sträucher bis auf Kniehöhe zurückzuschneiden. Rosy und ich kannten uns damals noch nicht, ich warb um Debbie Macmillan und telefonierte häufig mit ihr. Auch im Garten der Macmillans tobte der Junikäfer. Der Lord vertraute auf die traditionelle Methode, wonach der Rasen vor Einbruch der Dämmerung mit einem Vlies abgedeckt wird. Die Käferweibchen legen ihre Eier im Gras ab, die Larven ernähren sich von Gräsern und Wurzeln. Ist der Rasen zugedeckt, können die Weibchen nicht abheben, die weitere Begattung wird unterbunden.
    Debbie hatte von einem neuen biologischen Hilfsmittel gehört. Es handelte sich um parasitäre Pilze, die auf den Rasen gestreut werden. Der Pilz verbreitet sich rasant, wobei seine Sporen in die Larven des Junikäfers einwachsen und diese zum Absterben bringen.
    Ich bestellte den Pilz, brachte ihn auf der Grasfläche nahe meiner Viburnum amplifolium aus und wartete. Eine nervenaufreibende Zeit, denn mein Schneeball wurde auf das Grausamste zerfressen. Doch irgendwann im Hochsommer verschwand der Käfer von einem Tag auf den anderen. So hatten meine Sträucher bis zum Herbst noch genügend Zeit, neu auszutreiben. Frische Zweige wuchsen, hellgrüne Blätter wucherten, und als der erste Schnee fiel, blühte der Schneeball sogar. Der Parasitenpilz hat eine Lebenserwartung von 15 Jahren. Tatsächlich ist der Junikäfer seither in meinem Garten nie wieder aufgetaucht.
    Diese Erinnerung lässt mich den Lorbeergarten in optimistischeren Farben sehen. Ich straffe das Kreuz und trete durch das Buchentor. Auf den ersten Metern sieht der Lorbeer nicht übel aus. Die Pflanze hat gelitten, nach der Giftspritze nur verständlich, schlapp hängen die Blätter, die Äste sind graublau. Das Pestizid wird sich erst nach einiger Zeit verflüchtigen. Alles wirkt wie am Tag nach der Apokalypse. Nur die Leichen auf dem Boden fehlen. Wo sind die verendeten Fliegenkinder?
    Ich hebe den ersten Zweig an. Wo sich die geflügelte Laus gestern als Einzelgänger satt gefressen hat, sind heute Klumpen von Insekten. Sie haben sich zusammengerottet. In der Rotte sind sie stark, in der Rotte konnten sie überleben. Sie hüpfen nicht mehr, krabbeln nur und haben einen dicken Panzer aus Wachs gebildet, der das Vertilgungsmittel an seinem Tötungswerk hindert. Um sicherzugehen, betrachte ich andere Zweige: überall das Gleiche. Die Laus ist angeschlagen, aber sie lebt. Mein Angriff war erfolglos. Ich habe ökologische Richtlinien missachtet und die härteste Waffe eingesetzt, die es legal zu kaufen gibt. Ich wollte meinen Lorbeer retten. Jetzt sind die Sträucher von der Chemiekeule genauso angeschlagen wie der Schädling. An manchen Zweigen sondert die Pflanze bläulichen Schaum ab. Eine Wiederholung der Prozedur verbietet sich. Im Schlafanzug sinke ich zu Boden, setze mich in den Kies und lasse meiner Ratlosigkeit freien Lauf. Jetzt erst, und das bedaure ich insgeheim, kommt mir die Tote auf der Treppe in den Sinn. Sie starb vor meiner Haustür. Wie respektlos von mir, an diesem Morgen nur an meine Leichen zu denken. Kann ein Tag trostloser beginnen?

E in alter Mann sucht eine Behörde auf. Er kommt am frühen Morgen, um kurz nach sieben erkundigt er sich nach

Weitere Kostenlose Bücher