Der Killer im Lorbeer
Versicherungsvertreter. Sein Job verlangt Geschick und die Fähigkeit, im richtigen Moment eine Chance zu ergreifen.«
Rosy geht hinein. Sie dreht sich um. »Was hast du vorhin gesagt?«
»Was meinst du – Gruppensex?«
»Du sagtest, der Frühling war bis jetzt zu trocken.«
»Das ist keine besonders tiefe Weisheit.«
»Aber es stimmt.« Sie nimmt ihr Handy. »Geh schon vor, ich bin in fünf Minuten im Büro.«
R osy erreicht mich am Tiefpunkt dieses Morgens, im Zustand ratloser Erschöpfung.
»Wie geht es deinem Lorbeer?«
»Unverändert. Nein, schlechter. Der Schädling ist dem Vertilgungsmittel überlegen. Die Aktion war umsonst.«
»Was unternimmst du als Nächstes?«
»Keine Ahnung.« Seit einer Stunde liege ich auf dem Sofa und starre meine Wollsocken auf dem ausgebleichten Seidenstoff an. Ich hätte das viktorianische Stück längst neu polstern lassen müssen. Stattdessen werfe ich eine Decke über die zerschlissenen Stellen.
»Ich habe eine Idee«, fährt Rosy fort. »War der Frühling bis jetzt nicht außergewöhnlich trocken?«
»Trocken, ja. Aber nicht außergewöhnlich.«
»Könnte das Problem im Lorbeer mit Wassermangel zu tun haben? Hat das den Schädling vielleicht begünstigt?«
Ich stelle die Füße zu Boden. Rosys Anteilnahme rührt mich. Die viel beschäftigte, mit allen Wassern gewaschene Ermittlerin nimmt sich die Zeit, mir ihre Theorie vorzutragen.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Frühlingsregen auf sich warten lässt. Pflanzen, die es in meinem Garten feuchter mögen, wässere ich nach Bedarf. Der Lorbeer ist anspruchslos. Er nimmt, was er kriegt.
»Danke für den Tipp.« Ich schlurfe ans Fenster. »Vielleicht hat es wirklich damit zu tun.« Ich schaue zu demselben Himmel auf, den auch Rosy gerade betrachtet. Es regnet stärker. Das Wasser gluckert in den Dachrinnen, da und dort tropft es aus undichten Stellen. Der Regen spült lediglich das Pestizid von den Sträuchern und aus der Erde, das ist alles. Der Laus kann er nichts anhaben. Sie verfügt über einen Regenschirm: die Lorbeerblätter. Ich bedanke mich nochmals und schließe das Fenster.
»Wann sehen wir uns heute?«
»Schwer zu sagen.«
»Hast du gefrühstückt?«
»Ein Sandwich. Übrigens, Arthur –« Ihre Stimme klingt plötzlich vorsichtig.
»Ja?«
»Glaubst du jetzt, dass unsere Treppe lebensgefährlich ist?«
Der Stich sitzt. »Wurde die Frau denn nicht mutwillig hinuntergestoßen?«
»Die Treppe ist einfach zu steil, und sie ist weitgehend ungesichert.«
Ich würde Rosy gern etwas Freundliches antworten. Sie hat genug um die Ohren. Trotzdem sage ich: »Dieser Todessturz scheint dir ziemlich gelegen zu kommen.«
»Ach, Arthur.« Die Leitung ist tot.
Sofort tut es mir leid. Ich habe das Bild vor Augen – Rosy mit Kinderwagen auf den 106 Stufen. Ich wollte eigentlich nicht kochen. Jetzt habe ich bei Rosy etwas gutzumachen. Ich hole Hackfleisch aus der Tiefkühltruhe und lege es in die Mikrowelle, heize den Backofen vor und hacke Knoblauch, Zwiebel und Sellerie mit dem Wiegemesser. In die Bewegung lässt sich einige Aggression legen. Zerstückeln, zerhäckseln, klein kriegen – der Killer im Lorbeer ist mein Angriffsziel. Wenn das bei ihm nur auch so einfach ginge wie bei dem unschuldigen Gemüse. Ich erhitze Olivenöl und brate das Fleisch scharf an. Hitze und Kälte, denke ich. Sind das Optionen im Kampf gegen die Laus? Ich zerlasse Butter für die Bechamelsauce und stäube Mehl darüber, schwitze die Pampe an. Sie gerät zu dunkel, die beigemengte Milch neutralisiert das. Ich würze, fette die Auflaufform ein, schichte Teig, Bechamel, Fleisch und wieder Teig übereinander. Ein schlimmer Morgen, ein hoffnungsloser. Außer der Lasagne ist mir noch nichts gelungen.
»Der Kerl hat was gemacht?«
»Eine Jamsession«, antwortet Ralph. Sie steigen ein.
»Die ganze Nacht über?«
»Ogilvy behauptet es.«
»Und weshalb ist er immer noch dort?«
»Die Polizisten, die seinen Wagen gefunden haben, lassen ihn nicht weg.« Ralph startet.
»Sie haben ihn festgenommen?« Rosy lockert den Sicherheitsgurt. Er klemmt ihr die Brust ab.
»Das war nicht nötig. Ogilvy hat anderthalb Promille im Blut.«
»Hört sich eher nach Besäufnis als nach Jamsession an.« Rosy verfolgt das Hin und Her der Scheibenwischer. »Alibi?«
»Ein ziemlich gutes.« Der Volvo verlässt das Polizeigelände. »Üblicherweise spielt man den Kontrabass nicht allein.« Ralph nimmt die weite Kurve auf die Landstraße.
Rosy
Weitere Kostenlose Bücher