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Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)

Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)

Titel: Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz von Lech
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nun beendet war. Seine Kehle schnürte sich z u sammen. Mit fahrigen Fingern zerrte er an der Wunde am Oberschenkel.
     
    Am nächsten Tag wurden die gefangenen röm i schen Soldaten von den Priesterinnen geopfert. Aus dem Blut, das in die heiligen Kessel floss, lasen die heiligen Frauen die glanzvolle Zukunft der vier Stämme. Der Treck zog weiter, und noch lange erzählten sich die Krieger gegenseitig ihre Helde n taten in der Schlacht gegen die Römer. Agnar j e doch blieb im Wagen der Priester. Man nahm al l gemein an, dass er in der Schlacht schwer verwu n det worden war. Doch die Ve r letzungen seines Körpers waren bald geheilt, ganz a n ders als die seiner Seele. Er schlief nachts schlecht, i m mer mit der Rechten sein Schwert fest umklammernd. Wenn ihm Wids gleichmäßige Atemzüge verrieten, dass sein Onkel tief eingeschlafen war, setzte er sich neben ihn und betrachtete ihn oft stundenlang. G e gen Mo r gen verließ er gelegentlich den Wagen, ging hastig und ängstlich darauf bedacht, nur ke i nem zu bege g nen, aus dem Lager und streifte unr u hig in den umgebenden Wäldern umher. Stattde s sen döste er hä u fig tagsüber im Inneren des W a gens, während der Treck sich lan g sam voranbewe g te, wieder weiter nach Westen. Mit geschlossenen Augen lag er da, fühlte das Schütteln des Karrens auf den holpr i gen Wegen, das Prasseln des Regens auf der gefetteten Plane und füh l te, wie die Feuc h tigkeit in jeden Fetzen Stoff, in jeden Strohhalm zog und das morsche Holz des Karrens aufweichte. Er fühlte die Glut der Sommersonne, die Winde des Herbstes und das eisige Klirren des Wi n termo r gens. Doch nichts davon konnte ihn b e rühren. Manchmal flog ihn der Gedanke an, seine Fähigke i ten einem Test zu unterziehen, sich zu vergewi s sern, ob wirklich alles zerstört sei, doch wenn er in sein Inneres blickte, fühlte er sich leblos und schwer, so als ob er mit einer Ladung grauer Steine angefüllt wäre . Ihm fehlte der Mut zu einer Probe.
    Wenn sie allein waren, benahm Wid sich so, als ob Agnar überhaupt nicht anwesend sei. Oft lebten sie tagelang im selben Wagen, ohne dass ein Wort g e fallen wäre. Der Zwang, jede Begegnung und jeden Blickko n takt zu vermeiden, bestimmte ihre Bew e gungen. Erfo r derte eine Beratung oder ein festl i cher Anlass ihr g e meinsames Erscheinen vor den anderen, so wusste Wid diese Gelegenheiten zu nutzen, um Agnar an ihr G e heimnis zu erinnern. Scheinbar fürsor g lich zupfte er seinem Neffen den Mantel zurecht oder wuschelte ihm aufmu n ternd durchs Haar. Er liebte es, Agnar den Arm in einer väterlichen Geste um die Schultern zu legen und dabei beifallheischend in die Runde zu blicken. Nahm man Aufstellung um der Rede eines Fürsten zu lauschen, so positionierte sich Wid u n fehlbar hal b schräg und so dicht hinter Agnar, dass dieser den Atem seines Onkels im Nacken fühlen musste und glaubte, bei jeder Bewegung dessen Unte r leib zu streifen. Agnar hätte am liebsten laut geschrieen, doch vor der Hei m tücke dieser Gesten gab es kein Entkommen. Quälend lange, wie alles auf dieser endl o sen Wanderung, zog sich die Zeit mit Wid dahin. Agnars Haut wurde grau, sein Kö r per verlor das, was sich an Muskulatur aufg e baut hatte, und wenn er sich von seinem Lager erhob, so ging er gekrümmt, als litte er Schmerzen. Doch ni e mandem kam es in den Sinn, oder vielleicht wa g te es einfach niemand, ihn zu fragen, was ihm fehle, ihm Mitleid auszusprechen oder Hilfe anzubieten. Und Agnar selbst erwartete es auch nicht anders, denn er war Druide, und die G e schlossenheit der Priesterschaft stand immer über allem, was den Einzelnen betraf.
     
    In vielen Monaten zog der Treck der Kimbern und ihrer Verbündeten durch Gallien und hinte r ließ eine Spur der Zerstörung. Es sollte nicht lange da u ern, bis es erneut zu einer Konfrontat i on mit den Römern kam. Der größte Teil des Zuges war b e reits einige Tagesre i sen nach We s ten vorangeko m men, während sich eine kleinere Gruppe, einige Tausend Krieger und etwa g e nauso viele Frauen und Kinder, noch im Bereich des letzten Lagers aufhielten, um die Reife der Kornfelder in der U m gebung abzuwarten. Kurz nach der Ernte wollten sie den Bauern den größten Teil des Getreides a b jagen und damit wieder einige Zeit über die Ru n den kommen. Agnar und Wid waren bei der Nac h hut geblieben, um mit ihren spirituellen Kräften für den E r folg des wichtigen Unternehmens zu gara n tieren.
    Am Morgen eines bereits

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