Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
wiederbelebte. Gequält schloss er die A u gen. Sofort sah die Szene im Moor wieder in allen Ei n zelheiten vor sich. Er erinnerte sich auch wieder, dass er am Abend krank geworden sein musste. Erneut blickte er um sich und stellte verwundert fest, dass er sich nicht mehr in der Halle des Königs befand, so n dern in einem kleinen Bauernhaus. Die Leute hier w a ren nicht besonders umsichtig, denn der Becher, den sie ihm gegeben hatten, war schwer wie ein Stein. Be i nahe wäre er ihm aus der Hand geglitten, wenn nicht die Bäuerin im letzten Augenblick z u gegriffen hätte. Sie trottete damit davon und rief einer Gruppe e t was zu, die um das Feuer ve r sammelt war. Einer der Männer stand hastig auf und kam zu Marcus. Es war Pugnax, sein G e sicht wirkte ernst, ja b e drückt. Als er sich an den Rand des Lagers gesetzt hatte, versuchte er seine Züge etwas heiterer wi r ken zu lassen. „Marcus, du bist wach!“
Marcus lächelte verständnislos.
„Du warst fast eine Woche im Fieber und ohne kl a res Bewusstsein. Ich hatte schon Angst, du würdest nie mehr zu dir kommen.“
Marcus schloss die Augen. Er fühlte sich so schwach, dass er am liebsten geweint hätte. Pugnax nahm seine Hand und streichelte sie etwas ung e schickt. Rasch legte er sie dann aber wieder zurück auf die Decke.
„Ich hätte dich nicht allein in das Moor gehen la s sen sollen. Vor allem, weil du ja schon zuvor ang e schlagen warst. Aber jetzt werde ich dich nicht mehr aus den Augen lassen. Jetzt schlaf erst mal. Ich sorge dafür, dass sie dir eine Brühe kochen.“
Schlafen war eine gute Idee, fand Marcus, der von Pugnax’ ungewohntem Redeschwall völlig erschl a gen war. Als er wieder aufwachte, saß Pugnax bei ihm. In der Hand hielt er eine Schale mit lauwa r mer Suppe. Nachdem Marcus getrunken hatte, rieb Pugnax ihn mit einem feuchten Lappen ab und legte ihm frische D e cken zurecht. Marcus ve r brachte die folgende Woche in einem Dämmerz u stand. Er aß und schlief, ab und an ließ er sich von Pugnax in dessen spröder Art die spä r lichen Ne u igkeiten aus dem Dorfleben berichten. Hirst kam jeden Tag vorbei um sich von seinen Fortschritten zu überzeugen, doch Marcus wäre es lieber gew e sen, er hä t te darauf verzichtet. Seit dem Tag im Moor fühlte er sich dem Krieger gegenüber uns i cher, er fragte sich, ob dieser seine Erschütterung damals gespürt hatte und ihn nun für einen Schwächling hielt.
Eines Tages kam Hirst weder am Morgen noch am Mittag vorbei. Der Qualm des schlecht brennenden Herdfeuers wollte fast nicht durch das Strohdach a b ziehen sondern verpestete die Luft im Haus. Ein Hu s tenanfall nach dem anderen quälte Marcus Lungen, so dass Pugnax ihn in mehrere Decken hüllte und zur Haustür schleppte um ihn frische Luft atmen zu lassen. Als sie vor die Tür getreten waren, sah Marcus die U r sache des qualmenden Feuers und den Grund für Hirsts Abwesenheit: Dichter Schneefall hatte eing e setzt . Dazu wehte ein scharfer Wind, der langsam zu einem Sturm a n schwoll.
Der Schneesturm hielt mehrere Tage an. Als er a b g e flaut war, war die ganze Umgebung in einen di c ken weißen Mantel von Schnee gehüllt. Marcus hatte so etwas noch nie gesehen und freute sich z u nächst sogar darüber. Seine Genesung schritt vo r an, so dass er nach drei W o chen zum ersten Mal mit Pugnax’ Hilfe den kurzen Weg zum Langhaus machen konnte um den Abend mit den anderen zu verbringen. Er wurde freundlich begrüßt, hatte aber doch den Eindruck, dass niemand ihn wirklich vermisst hatte. Er nahm seinen alten Platz in der Halle wieder ein, und Hirst, sein Schatten, gesellte sich zu ihm.
Tagsüber war es ihm eine tiefe Freude, die zwei Säc k chen mit Bernstein zu inspizieren und die Ste i ne zu sortieren. Sein größter Schatz war ein Stein mittlerer Größe, fast bräunlich dunkel, der im Inn e ren ein kop u lierendes Mückenpärchen barg. Die winzigen Geschö p fe waren wohl auf einer klebrigen Harzschicht gefangen und kurz danach von einer weiteren Ladung Harz übe r rollt worden, so dass sie in ihrer Hochzeit für die E wigkeit gefangen waren. Marcus hatte bereits einige Sammler in Rom im Kopf, die freudig bereit wären ein mittleres Verm ö gen für diesen Stein auszugeben. Er nähte ihn in ein kleines Säckchen, das er ständig um den Hals trug wie einen Talisman. Aber auch die übrige Ausbeute war nicht zu verachten. Steine in allen Gr ö ßen und Farbschattierungen von hellem Zitronengelb bis zum tiefsten Honigbraun,
Weitere Kostenlose Bücher