Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
behaupten. Quälend lan g sam näherten sie sich der Eiche, bis sich der Boden endlich weniger weich anfühlte. Die Füße sanken nicht mehr so tief ein, und Markus hätte sich am liebsten flach auf das feuchte Erdreich rings um die Wurzeln geworfen, so schwach fühlte er sich. Alle blieben jedoch in respektvollem Abstand vor dem Baum stehen. Mit Genugtuung sah Marcus, dass sogar den stärksten Kriegern der Schweiß von den Schläfen tropfte und ihre Haut unter den Mänteln glänzte.
Als alle halbwegs wieder zu Atem gekommen w a ren, traten die beiden Priester vor. Zwischen sich hielten sie den Gefangenen, den sie den Großteil des Weges wohl geschleift haben mussten, denn er war bis zu den Hü f ten mit Schlamm besudelt. Er wirkte noch benomm e ner als bei ihrem Aufbruch und hätte den schwierigen Weg wohl kaum aus eigener Kraft bewältigen kö n nen. Marcus konnte nun erstmals einen Blick auf den Mann werfen. Er war nicht mehr ganz jung, hatte ein schm a les G e sicht und war so schlank, dass er fast ausgezehrt wirkte. Fjörm band auch ihm die Hände zusammen, knüpfte aus einem Seil eine Schlinge, die er dem Mann um den Hals legte, warf das Tau über einen Ast der Eiche und erhängte den Betäubten ohne weitere U m stände. Es war ein jämmerlicher Tod. Lange wehrte sich der Körper des Mannes gegen das Ersticken, sein bleicher, dünner Leib zuckte und zappelte in der Schlinge. Ung e rührt stand die ganze Gruppe um die Eiche und wartete auf das Ende. Als der Mann endlich leblos im Seil hing, traten die Priester heran und schni t ten das Tau ab.
Die Sorgfalt, mit der der Tote nun behandelt wu r de, stand in krassem Kontrast zu der nüchte r nen Art, in der er umgebracht worden war. Fjörm lo c kerte vorsic h tig die Schlinge um den Hals der Le i che und brachte die Glieder in eine gerade Lage. Dann schnitt er ihm die Kleider vom Leib, ließ den Gürtel aber um den mageren Leib gebunden und drückte dem Toten sogar die lederne Kappe, die im Todeskampf zu Boden gefa l len war auf den Sch ä del. Danach watete der Priester ein Stück weit in das Moor hinaus, um unter lauten B e schwörungen ein Bündel Schilfrohre zu scheiden. Z u rück auf der Insel begannen er und Wid aus den Ha l men ein Netz zu flechten. Die Arbeit schien schwierig zu sein, die Halme waren im Herbst spröde und zäh geworden. Als sie endlich fertig waren, hoben sie die Leiche an Schultern und Beinen an und schleppten sie zum Ende eines wackligen Steges, der vom rückwärt i gen Teil der Insel eine Strecke ins Moor hinaus führte. Er bestand lediglich aus einigen Brettern, die vom Rand der Insel auf den Matsch aufgelegt waren. Von dort aus betten sie den Toten auf den weichen Schlick und ho l ten das Geflecht. Nachdem sie es sorgfältig über den Leichnam gelegt hatten, fixierten sie das Ganze mit einigen Zweigen der Eiche, die sie in den Schlamm stießen. Die Priester verbrannten noch die Kleider des Getöteten, vergruben die Asche am Fuße der Eiche und murmelten Gebete oder Zaubersprüche oder i r gendwelche Verwünschungen, Marcus hätte sich alles vorstellen können. Schließlich aber waren die Zerem o nien beendet. Die beiden Priester gi n gen schweigend hinaus auf den uns i cheren Weg durch das Moor.
Genau in der Reihenfolge des Eintreffens schlossen sich die übrigen Männer wieder an um sich auf den Rückweg zu machen. Marcus fand, dass sie wegen der auf dem Rücken gefesselten Arme irgendwie schuldb e wusst wirkten und unterdrückte einmal mehr sein ne r vöses Grinsen. Er ging auf den vom Schlick überspü l ten Steg, um einen Blick auf den unglückseligen Kerl zu werfen, den sie in den kalten Morast geworfen hatten. Der Leichnam war durch die improv i sierte Decke aus Schilfrohren gut zu erkennen. Arme und Beine waren fast vollständig in den Schlamm eingesunken, der dü n ne Körper hob sich unanständig weiß und nackt gegen das dunkle Moor ab. Die lederne Mütze und der übe r flüssige Gürtel gaben dem ganzen einen fast schon albernen Anstrich. Ein Glucksen stieg in Marcus e m por, doch bevor es ein Kichern we r den konnte, zog sich seine Kehle zusammen. Durch einen scharfen U m schwung seiner Sti m mung war er plötzlich kurz davor, lauthals loszuheulen, wie er es zuletzt als kleiner Junge g e tan hatte. Er versuchte sich zu b e herrschen. Nicht, dass er zum ersten Mal einen Menschen hatte sterben sehen. In Rom hatte er gerne Gladiatore n kämpfe und Tierhatzen besucht, doch war das Sterben dort so ganz anders gewesen. Das
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