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Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)

Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)

Titel: Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz von Lech
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klar o der gefleckt. Wenn es ihm wirklich gelänge, dies alles ohne Verluste nach Hause zu bringen, wäre er ein gemachter Mann.
    Aber noch konnte kein Gedanke an Heimreise g e fasst werden. Der Schnee lag hoch, und es wurde noch i m mer kälter. Marcus hatte den Eindruck, dass die Nacht überhaupt nicht mehr enden wollte. Die Dämmerung begann spät und fiel früh ein. Die wenigen Stunden dazwischen waren von einem matten, grauen Licht erfüllt, das an den Tagen, an denen erneut Schneefall einsetzte, fast völlig ve r blasste. Um die langen Stunden der Dunkelheit abzukürzen, hatte Marcus wieder b e gonnen seine Geschichten zu erzählen. Doch so üppig der Stoff auch war, die Abende waren fast endlos lang, so dass er sich bald gezwungen sah, die Geschichten zu wi e derholen. Irgendwann gab er es auf, doch da man weiterhin Unterhaltung von ihm erwartete, erzählte er einfach aus seiner Erinnerung. Er e r zählte von seinen Freunden, vom Geschäft seines Onkels und von all den Kostbarkeiten darin. Nac h dem er den faden Gerste n brei vertilgt hatte, erzäh l te er von den Speisen, die er zuhause probiert hatte, und wenn er an den Schnee dort draußen dachte, erzählte er von lauen Frühling s abenden und Au s flügen an die Strände des türkisfarb e nen Mitte l meeres.
    Die Tage schleppten sich in steter Gleichförmigkeit dahin. Man stand spät auf. Wenn das Wetter es irgen d wie zuließ, gingen die Männer nach draußen in die eis i ge Kälte und schlugen L ö cher in die Ei s decke der nahe gelegenen Seen um Fisch zu fangen. Andere inspizie r ten Fa l len, die sie für Hasen und anderes Kleinwild aufgestellt hatten. Die Ausbeute war kärglich. Die Pfe r de wurden aus dem Stall g e führt und einige Runden auf dem Hof bewegt. Die Kamp f übungen fanden auch im Winter statt, um für die Raubzüge im Frühjahr gerüstet zu sein, und als krönender Abschluss folgte regelmäßig der Sprung ins eiskalte Wasser eines Weihers. Die nachfolgende Körperpflege zog sich ermüdend la n ge hin, so dass Marcus inzwischen einiges gegeben hätte, wenn er dem regelmäßig wiederkehrenden Anblick von dreißig Männern hätte entgehen kö n nen, die sich mit Stöckchen in den Zähnen pulten.  Der Mangel an Licht schlug sich in allgemeiner Missstimmung und Reizba r keit nieder. Hinzu kam, dass die Vorräte bedro h lich schnell zusamme n schmolzen. Die Ration, die jedem täglich zustand, wurde regelmäßig verringert, so dass ein knurre n der Magen bald zum Normalzustand gehö r te. Die allerdunkelste Zeit schien zwar vorbei zu sein, aber der Winter würde sich wahrscheinlich noch lange hinzi e hen.
    Marcus war am Ende. All der Enthusiasmus, die Hof f nungen und das Hochgefühl, das ihn bis hie r her befl ü gelt hatte, war verschwunden. Der A n blick seiner Schätze konnte ihn nicht mehr aufhe i tern, da er b e zweifelte sie jemals von hier wegbri n gen zu können. Er hatte aufgehört, mit den Kri e gern den Tag draußen zu verbringen sondern zog es vor, so lange wie möglich auf seinen Fellen in eine Decke gehüllt im Halbschlaf zu verbringen.
    Nach Marcus’ Berechnungen hätte schon längst der Frühling anbrechen müssen, doch noch immer blieb die Natur begraben unter den weißen Massen. B e reits zweimal war Tauwetter eingebrochen, so dass die nac k te Erde in braunen, matschigen Streifen durch den gl a sig g e wordenen Schnee schimmerte. Doch bevor noch das ganze Weiß verschwunden war, hatte erneut Schneefall eingesetzt, und das Verlorene war überreic h lich ersetzt worden. Schon la n ge hatte niemand sich satt essen können, und die Sucht, das Lager am Morgen nicht zu ve r lassen, sondern im Halbschlummer den Tag zu verdä m mern, griff um sich. Die Körper der Menschen ve r loren an Masse, die Knochen des B e ckens stachen aus den ausgehöhlten Bä u chen, die vom scharfen Bogen der Rippen überwölbt waren. Durch den monatelangen Mangel an Licht war die Haut bleich und spröde, so dass sie alle eher einer Gruppe dem Grab entflohener Leichen als der Leibwache eines K ö nigs glichen. Die Bauern des Dorfes und der Umg e bung waren durch den ungewöhnlich langen Winter wesentlich stärker betroffen, teils weil ihre Vorräte nicht so üppig waren wie die am Hofe, teils aber auch, weil bei ihnen nicht nur Männer von ausgewählt guter Konstitution lebten, sondern auch Ältere, Kranke und Kinder, die den Mangel noch schwerer ertragen kon n ten. Sie starben gegen Ende des Winters reihenweise, und in vielen Häusern wurde bald jede

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