Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
Menschen in den komme n den Ja h ren über den Kontinent. Schnelle Vo r trupps erkund e ten die Strecke, die vor ihnen lag, und nach ihren B e richten fiel die Entscheidung, ob die Hauptmasse des Trecks nachfolgen sollte. G e höfte und Dörfer, die das Unglück hatten, auf dem Weg des Zuges zu liegen wurden, ausgelöscht. Stellte sich ihnen ein wehrhafter Stamm entgegen, konnte das nicht nur den Kampf, sondern genauso gut eine Kursänderung zur Folge h a ben. Denn der Wi l len Vieler bestimmte die Richtung des Zuges. Die Fürsten der vier Stämme, die Versam m lu n gen der wehrfähigen Männer und die Priester und Pri e sterinnen, die in ihren Visionen nach Zeichen der Götter suchten, waren oft unterschiedlicher Auffa s sung. Daher gelang es oft erst nach zähen Verhan d lu n gen, ein gemeinsames Ziel festzulegen.
Für die Menschen war der Trecks eine unsägliche Str a paze. Die Männer starben in den Kämpfen und Scha r mützeln mit den Bewohnern der Länder, die sie durc h zogen. Die Frauen starben im Kindbett, die Kinder an den vielfältigen Krankheiten und am Nahrungsmangel. Sie zogen dahin im Staub oder im Schlamm, der von den Hufen der Zu g tiere und der Herden aufgewirbelt und hochgespritzt wurde. Sie schliefen in den einfachen Karren, die nur unzure i chenden Schutz gegen Unwe t ter und Hitze b o ten. Schmut z verkrustet und halb ve r hungert wussten die Menschen oft nicht, wann und wo sie die näc h ste Mah l zeit au f treiben würden. Trotzdem wurde der Zug nicht schwächer, wurde die Zahl der Me n schen, die sich ihm anschlossen eher größer, denn die Zeiten w a ren unruhig. Viele waren der Auffa s sung, dass sie in der Heimat nichts zu verlieren, in der Ferne aber alles zu gewinnen hätten. So reihten sie sich am Ende des Z u ges ein und vermehrten die Schar. Den Anführern war es einerlei. Solange die Neuen sich ihrer Macht unte r warfen, war jeder willkommen, der die Schlagkraft und die Wide r standsf ä higkeit der Gemei n schaft stärkte. Jeder Neuzugang war ein zusätzliches Steinchen im Schutzwall um die Könige, deren Heil auf dieser Wa n derung u n gleich gefährdeter war als zuha u se.
Für Agnar, der als Sohn des Königs der Kimbern und zukünftiger Priester Odins diesen Schutz mit beanspr u chen konnte, waren die ersten Jahre der Wanderung die schönsten in seinem Leben. Er wurde von den Mägden umsorgt, die Krieger gri n sten, wenn sie den kleinen, blassen Knaben ihre Schwerter untersuchen ließen und seine unzähligen Fragen beantworteten. Gunthro, der der unang e fochtene Abgott des Kleinen war, war a n fangs e t was peinlich berührt über dessen Zutraulic h keit, aber nach und nach ließ er sich doch herab und half ihm bei seinen ersten Reitübungen oder schenkte ihm ein Holzschwert. Fjörm begnügte sich zunächst damit, Agnars Entwicklung zu überwachen und das Kind bei seinen Spielen zu beobachten.
Der Zug war im dritten Jahr unterwegs, als Fjörm Agnar zum ersten Mal zu sich rief. Die W a gen der Priester standen etwas abseits, so wie zuhause die Halle von den anderen Gebäuden abgesondert g e wesen war. Es war still, denn der Treck rastete seit einigen W o chen, und die Männer waren zur Jagd. Der Karren war mit einer festen Plane aus Tuch überdacht, die das Licht im Wagen dämpfte . Durch Risse im Stoff dra n gen einzelne Strahlen der bla s sen Märzsonne ins Innere und malten unscharf b e grenzte helle Flecken auf den Boden. Agnar füh l te sich etwas unbehaglich. Fjörm war zwar immer freundlich zu ihm, aber seine Reservier t heit war sogar für einen kleinen Jungen wie ihn spürbar gewesen. Noch nie hatte der alte Priester ihn ang e spr o chen oder sich zu ihm gesetzt. Und nun schlug er ihm doch tatsächlich ein Spiel vor. „Agnar, wir wollen z u sammen ein Rätsel raten. Ich werde dir mit den Stäben, die ich in diesem Beutel habe, ein Bild malen und du sollst erraten, was es ist.“ Der Junge nickte, wo r aufhin Fjörm aus einer Truhe ein weißes Stück Tuch holte, das er auf dem Boden ausbreitete.
„Wer eine Antwort finden will, der muss zuerst die Frage wissen. Also Agnar, welche Frage wollen wir an das Bild richten?“
Agnar wollte schon mit den Achseln zucken, aber er schämte sich die ganze Zeit stumm wie ein Klotz vor dem alten Druiden zu stehen, und so suchte er fiebe r haft nach einer intelligenten Frage. Schnell besann er sich auf die naheliegendste, auf die Frage, die immer über dem ganzen Zug hing und in jedem Kopf wiede r holt wurde.
„Wann werden
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