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Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)

Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)

Titel: Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz von Lech
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büsch zu suchen, stieg der Vogel höher und h ö her. Agnar erkannte en t setzt, dass er sich geirrt hatte: was hier aufstieg war kein Re b huhn, sondern ein riesiger Adler. Der Rabe schien die Gefahr nicht zu bemerken , in der er sich befand und stapfte weiter in der Lic h tung umher, um hier und da a n zuhalten und am Boden zu picken. Der Adler hatte den Raben e r späht, die Kreise, die er am blassen Morge n himmel zog, wu r den enger. Einen Moment stand er reglos am Hi m mel, dann stür z te er herab. Agnar wollte aufschre i en, doch kein Laut kam aus se i nem Mund. Der R a be hatte nun den Raubvogel b e merkt und versuchte mit einigen hastigen Sprüngen zu starten. Der A d ler glitt in einer flachen P a ra bel über die Lichtung, reckte die Fänge und schlug sie dem R a ben in den Rücken. Der Kopf mit dem g e krümmten Schnabel ruckte vor und ze r trümmerte den Schädel seines Opfers. Blut drang pulsierend aus der Wu n de und strömte über die Mosaiksteine der Lan d schaft. Ein grauer Block nach dem anderen wurde in grelles Rot getaucht, bis die ganze Landschaft von Blut überzogen schien. Jetzt gelang es Agnar zu schre i en. Er schrie und konnte nicht mehr aufhören, o b wohl er spü r te, dass Fjörm ihn bei den Schultern gepackt hatte. Kaum g e lang es ihm, den Eindruck der Vision abzuschü t teln und sich so weit in den Griff zu bekommen, dass sein Schreien zu einem Schluchzen abebbte. Fjörm hielt ihn fest und ve r suchte ihn zu beruhigen.
    Mühsam nach Worten ringend gelang es Agnar seinem Großonkel das Geschehen zu schildern, dessen er Ze u ge geworden war. Fjörm war entsetzt. Sein Geist suchte fieberhaft nach der richtigen I n terpretation des Bildes. Ein Rabe, der Vogel Odins war getötet worden. Doch für welche Macht stand der Adler? Wie auch immer, die Vorbedeutung war so vernichtend, dass Fjörm einen Moment lang dankbar war, alt genug zu sein und eine Aussicht zu haben, vor dem Eintritt der Katastrophe sterben zu dürfen. Er presste Agnar an sich und stre i chelte ihm trö s tend über das Haar. Auf dem Heimweg nahm Fjörm den Jungen zu sich aufs Pferd, da di e ser zu schwach war sich selbst zu halten.
     
    Fjörm hatte ursprünglich vorgehabt, die Fähigke i ten seines Schülers auch mithilfe der Eing e weid e schau zu erproben, doch nahm er nun davon A b stand. Er wollte die visionären Kräfte nicht noch weiter belasten. Agnar sollte nun erst das Rüstzeug erhalten, das ihn in die Lage versetzen würde, die Bilder der Visionen im Z u sammenhang ihrer G e schichte zu sehen und selbst zu deuten.
    In langen Stunden sprach er seinem Großneffen von da an die Überlieferungen vor: die Erscha f fung der Welt, die Taten Odins und seine unzähl i gen Namen, die En t stehung ihrer Dynastie und die Namen der Fürsten und Druiden, die seither die Macht und das Heil ihres Stammes aufrechterha l ten hatten. Auch die Geschic h ten der Helden ve r gangener Zeiten sowie Ban n sprüche und Zaube r formeln mussten wiederholt und Wort für Wort auswendig gelernt werden. Wie trockenes Land den Regen sog der lebhafte Geist Agnars die Geschic h ten auf. Manchmal genügten schon zwei Wiederh o lu n gen, und er konnte den Text fehlerfrei wiede r geben. Fjörm erschien es beinahe so, als wecke er eher Erinn e rungen an Dinge, die sein Neffe schon in sich gehabt hatte, als dass er ihm wirklich Neues beibrächte. Seine Verblüffung wuchs zu Respekt und Bewunderung. Er war sich sicher, in dem Kn a ben einen Druiden von außergewöhnlicher Kraft gefunden zu haben. Es erfül l te ihn mit Stolz, ihn ausbilden zu dürfen.
    Mit dem Respekt wuchs seine Liebe zu Agnar. Er u m sorgte ihn und ließ ihn nicht von seiner Seite. Er fühlte, dass ihm selbst nicht mehr viel Zeit blieb, daher ve r suchte er, so viel seines Wissens wie mö g lich an den Jungen weiterzugeben.
     
    Agnar war gerade zwölf Jahre alt geworden, als Fjörm darauf bestand, dass der Junge nun zum Priester g e weiht werden sollte. Wid, der sich seit ihrem ersten Zusammenstoß jeden Kommentars enthalten hatte, konnte sich angesichts dieses neuen Vorstoßes nicht mehr b e herrschen.
    „Priester? Ein Kind? Ein Knabe von zwölf Jahren soll zum Priester geweiht werden? Fjörm, bei allem gebot e nen Respekt sage ich dir heute, dass du mit deiner Ve r narrtheit in diesen Knaben zu weit gehst. Man lächelt über dein Getue und hält es für ein Zeichen deines Alters. Tu du, was du willst, aber mit diesem Schritt machst du die gesamte Prieste r schaft

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