Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
gehen.“
Widerwillig stimmte Bojord zu. Es entstand eine allg e meine Verwirrung, denn es drängte alle d a nach, aus der Halle zu kommen, um sich fern vom König Luft zu machen und sich mit den Anderen auszutauschen. Schnell waren die Mägde davon und die Krieger ve r schwanden, so lange der Vo r wand des Wasserlassens ihnen Zeit dafür gab. Die alte Magd hüllte den Knaben in den Mantel und ließ sich von Gunthro zur Hütte der Mägde führen.
Nur wenige Krieger blieben bei Bojord und ve r suchten ihre Neugierde im Zaum zu halten. Dessen Hochsti m mung war nun doch etwas niedergedrückt worden. An der Reaktion seines Sohnes und an den Zweifeln, die er in Wids Gesicht gelesen hatte, konnte er ermessen, dass es schwer werden würde, die Ansprüche seines zweiten Sohnes durchzuse t zen und seine P o sition zu festigen. Dazu das sel t same Verhalten Fjörms, der sich auf keine weiteren Gespräche über den rätselhaften Namen ei n gela s sen hatte. Morgen würde sich die Sache hoffen t lich klären lassen. Dann würde er den Knaben mö g lichst schnell unter die Obhut der Druiden stellen um so klare Verhältnisse zu schaffen.
Am nächsten Abend wurde das Orakel zur N a men s findung wiederholt. Das Ergebnis war das gleiche, so dass sich Fjörm nun gezwungen sah, den Namen in der Halle des Königs zu ve r künden. B o jord, seine Familie und das gesamte Gefolge wart e ten in gespannter Au f merksa m keit. Sie waren auf Schlimmes gefasst, doch trotzdem traf sie der Name wie ein Guss kalten Wa s sers.
„Der Knabe sollte Agnar genannt werden!“
Die Stille, die sich nach dieser Eröffnung ausbreit e te, dicht wie Winternebel über dem Meer. Der N a me des Stammvaters der Dynastie war allen b e kannt und wu r de nur mit ehrfurchtsvoller Scheu genannt. Niemals war dieser Name von einem Or a kel für einen Knaben bestimmt worden, noch hatte gar jemand die Respek t losigkeit besessen, sich selbst nach dem sagenumwob e nen ersten König zu nennen. Dass dieser Name nun von den Göttern verlangt wurde, war ein Zeichen von so vielfältiger Bedeutung und ließ so viele Interpretat i onen offen, dass den Umstehenden der Atem stockte. Sollte es ein gutes Omen sein, hieße es, dass Odin wi e der huldvoll auf den Stamm blickte. Oder aber es b e deutete das Ende aller Zeiten. Man hoffte, Bojord we r de sich dem Spruch des Orakels widersetzen, doch der war hin und her gerissen. E i nerseits e r kannte auch er das Unwägbare, das mit diesem Namen verbunden war, andere r seits war er befri e digt, denn der Spruch schien den unsichern A n spruch des unvermutet aufg e tauchten Kindes zu legitimieren.
Er entschied nach kurzem Zögern.
„Gegen den Willen der Götter darf ein Mensch sich nicht auflehnen. Komm zu mir, Agnar, mein Sohn, und nimm aus meiner Hand die Geschenke zur Namensg e bung.“
Er gab dem Kind das große Schwert mit den Schla n genornamenten und die goldenen Armringe. Der Kle i ne ging unter der Last des massiven M e talls in die Knie. Er als einziger war von der allg e meinen Aufregung nicht angesteckt worden, so n dern freute sich unbefa n gen über das Gold und die feingearbeiteten Muster. Bojord legte den Arm um ihn. „Lasst uns heute feiern! Ab morgen wird mein Sohn zu unser aller Schutz seine Ausbildung als Priester des Odin b e ginnen, wie es seine Besti m mung ist.“
Der folgende Sommer schien Bojord rechtzugeben und zerstreute die Bedenken der Gefolg s leute. Es war warm, weniger Regen fiel, das Getreide stand voll und gesund auf den Feldern. Erst spät brach der Winter herein, und in dem langen Herbst kon n ten die Männer beutereiche Jagdzüge unterne h men. Auch das neue Jahr begann viel verspr e chend, das Korn stand wieder hoch, und zahlreiche Jungtiere füllten die in langen Jahren der Not z u sammengeschmolzenen Vie h herden auf.
Eines Abends im Hochsommer ballten sich im W e sten die schwarzen Wolken eines Somme r gewitters. Die Bauern trieben eilig die Herden in die Unte r stände. Wid opferte eine Ziege, um Thor zu besän f tigen. Doch das Unwetter brach mit ungewohnter Heftigkeit über das Land he r ein. Es wütete die ganze Nacht und türmte das Meer zu haushohen Wellen auf. Die Wogen stürmten weit über die K ü ste in das Landesinnere und zerstörten die Ernte. Die Tiere wurden von der Strömung aus ihren U n terständen gezogen und aufs Meer gespült. Auf Anhöhen oder an die Wipfel der Bäume gekla m mert, versuchten die Menschen der vernichtenden Macht des Meeres zu entgehen,
Weitere Kostenlose Bücher