Der Kimber 1. Buch: Ehre (German Edition)
doch viele wurden von den Fluten überrascht oder von den eigenen Krä f ten verlassen, und auch sie wurden ein Opfer der Wellen.
Als der Morgen anbrach, enthüllte er ein Bild der Ze r störung. Schlimmer als das Wüten einer Horde Nor d männer hatte die Natur den Menschen und ihren Sie d lungen zugesetzt. Häuser und Hütten waren zerstört, Fischerboote waren zerschellt oder aufs Meer gespült worden. Die Felder waren mit stinkendem Schlamm überflutet, so dass kein Halm mehr den einstigen Reichtum an Korn erahnen ließ. Am Strand lagen Re i hen von Leichen und Tierk a davern, als ob die See sich nach ihrer überreichen Mahlzeit erbrochen und ihre Opfer wieder an Land zurück gespieen hätte. Die Ü berlebenden blickten mit leeren Augen auf das Grauen und das E n de ihrer Existenz.
Die Bewohner der beiden Hallenhäuser hatten die D ä cher erklimmen können und die Nacht ang e klammert an Dachbalken überstanden. Am Morgen stellte Bojord mit Erleichterung fest, dass seine be i den Söhne unve r sehrt waren. Auch die Druiden und seine Leibwache hatten den Ansturm überlebt. Nachdem im Laufe des folgenden Tages das Alle r nötigste im Dorf g e regelt worden war, ritt Bojord mit seinen Gefolgsleuten auf den wenigen verbli e benen Pferden über das Land, um das Ausmaß des Schadens abzuschätzen. Was er sah, versetzte ihn in eine tiefe Hoffnungslosigkeit. Nur mühsam g e lang es ihm, vor seinen Begleitern Haltung zu b e wahren. Um zu beweisen, dass er auch weiterhin der Beschützer seines Volkes war, traf er eine En t scheidung. Die Hälfte seiner Garde sollte ihn weiter begleiten, die andere Hälfte sollte die Fürsten der b e nachbarten Stämme aufsuchen u nd das Thing der A n führer einberufen.
Einige Tage darauf trafen sich Bojord mit Fjörm und Wid mit den Anführern der Teutonen, der H a ruden und der Ambronen an dem großen Findling, der den Thingplatz markierte.
Die Beratungen dauerten nur kurz, denn das Th e ma, das alle hier aus Anlass des Sturms neu b e schäftigte, war in den vergangenen Jahren schon so oft erörtert worden. Alle hatten unter der Ve r änd e rung des Klimas zu leiden gehabt, doch immer hatte sich noch ein Au s weg, eine unerhoffte Wendung ergeben, die sie die En t scheidung zur Auswand e rung doch noch verwerfen ließ. Jetzt aber waren die heimatlichen Dörfer nahezu unb e wohnbar g e worden. Alle vier Stämme waren ihrer Exi s ten z grundlage beraubt worden. Sie standen vor der Wahl, entweder gemei n sam zu verhungern oder vor der drohenden Katastrophe zu fliehen. Doch wie sahen die Götter ihren Plan, konnte man sich auf ihren Schutz verlassen? Die Fürsten traten zurück und übe r ließen den Druiden den Platz. Mehrere Tage dauerte es, die Vorzeichen zu sammeln und zu prüfen. Was konnten die Eingeweide der Ziegen bedeuten? Welche Hinweise ergaben sich aus dem Zug der Vögel? Widersprach das Schnauben der heiligen Pferde ihrem Plan, die Heimat zu verlassen und neues Land in einem anderen Teil der Welt in Besitz zu nehmen? Nichts an den Auswand e rung s plänen schien den Zorn des Himmels zu reizen. Daher trafen die Fürsten ihre Absprachen und br a chen auf, um ihren Stämmen die Nachricht über den Au s gang des Things zu überbringen.
Als Bojord mit seiner Begleitung Zuhause ankam, w a ren vor den Palisaden große Gruben für die Le i chen ausgehoben. Die Bauern hatten die Zeit g e nutzt um das wenige auf den Feldern und Weiden versprengte Vieh zusammen zu treiben und sich in den Schutz der wen i ger b e schädigten Langhäuser zu flüchten. Dort saßen sie nun mit leeren Blicken und warteten auf neue Ku n de, auf eine Entsche i dung. Die Rückkehr Bojords brachte wieder neues Leben in die verängstigten Me n schen. Als Bojord das Allthing ausrufen ließ, dauerte es nicht lang, bis alle Männer am Thingplatz versammelt waren.
Ein Raunen und Murmeln lag über der Ansam m lung. Die Männer berichteten von ihren Verlu s ten. Keine Familie war verschont geblieben. Viele Ki n der waren zu schwach gewesen, sich den Fluten zu widersetzen und waren aufs Meer geschwemmt worden. Wo die Frauen getötet worden waren, ha t te man nun Sorge um die überlebenden Nachko m men. Der Viehbestand war um mehr als die Hälfte verringert, die Fischerboote zerschlagen, die Ernte auf allen Fe l dern vernichtet. Das Land zu verla s sen, wie es bei den früheren Versam m lungen immer wi e der vorgeschlagen wurde, schien nun der einzige Ausweg. Nur wenige Stimmen meldeten B e denken an. Eine
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