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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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Stille im Raum lastete schwer auf seinen Schultern. Er sah das höhnische Grinsen auf Leroys Gesicht. Das Grinsen, das verkündete, dass Nick einWeichei war, ein Waschlappen, ein totaler Schwachmat. Aber das machte Nick nichts aus, nicht mehr. Es ging um seine Mutter. Er musste daran denken, wie sie allein zu Hause saß, und letztlich wurde ihm klar, dass er keine Wahl hatte. Nick blickte Leroy in die Augen und trat vor. Im selben Moment verblasste Leroys Grinsen, und mit einem Mal sah er eher aus, als hätte er einen Käfer verschluckt.
    Lauter Jubel erklang. Peter stürmte Nick entgegen und umarmte ihn fest. Dann klopften ihm alle auf die Schultern und zerzausten ihm die Haare. Irgendwann vergaß Nick inmitten all dieses Jubelns, Schulterklopfens und Grinsens einfach, Angst zu haben, er vergaß, wütend zu sein, und stellte fest, dass er ebenfalls grinste.
Ich bin verrückt geworden
, dachte er,
ich bin total verrückt geworden
. Erstaunlich, wie gut sich das anfühlte.
    »Ein dreifaches Hoch auf unser neues Blut!«, rief Peter.
    Alle zusammen brachen in Jubelgeschrei aus.
     
    Die Unnahbarkeit der Teufel war wie verpufft. Nick verspürte das warme Gefühl echter Brüderlichkeit, als der ganze Clan zusammenarbeitete, um die Neuen schnellstmöglich für die Schlacht auszustaffieren. Selbst die wildesten Teufel waren dabei und lachten und scherzten, während sie ihnen halfen, ihre Stiefel zu binden und Gurte und Rüstungsteile anzuziehen.
    Grille malten sie dunkelgrüne, vertikale Linien aufs Gesicht, und wenn sie die Lippen vorstülpte und die Stirn senkte, sah sie böse und gefährlich aus.
    Unglücklicherweise hatte Danny sich seine Kriegsbemalung von Blutrippe auftragen lassen. »Er ist eine Kampfkatze«, verkündete Blutrippe. Doch mit seiner schwarzen Schnauze und seinen Schnurrhaaren sah Danny eher aus wie ein Kampfpanda. Niemand konnte ihn anschauen, ohne loszuprusten.Danny machte es noch schlimmer, indem er schmollend die Lippen schürzte, was ihn wie einen beleidigten Panda wirken ließ.
    Nach dem, was mit Danny passiert war, erschien es Nick nur vernünftig, sich zum Spiegel zu schleichen. Zuerst dachte er, dass er auf irgendeinen Trick reingefallen wäre, denn der Junge im Spiegel war nicht er. Stattdessen stand ihm ein Wilder gegenüber, dem man mit schwarzer Farbe seltsame Muster auf die Schläfen gemalt hatte. Der Wilde wirkte zäh und abgehärtet, doch am verstörendsten fand Nick seine Augen, durchdringende, unheilverkündende Augen mit einem goldenen Glitzern darin. War das wirklich er? Was hatten sie bloß mit dem Sonderling gemacht, der komische Schuhe trug? Nick war sich nicht sicher, was er von der Sache hielt.
    Peter trat hinter ihn. »Das hier ist für dich.« Er überreichte ihm ein Kurzschwert.
    Nick zog es aus der zerschlissenen Lederscheide. Die Klinge war schlank, elegant und so glatt, dass sie im Licht schimmerte, doch bei näherem Hinsehen stellte er fest, dass beinahe unsichtbare Runen ins Metall eingearbeitet waren. Als das Licht auf die filigranen Muster fiel, funkelten sie wie winzige Diamanten. Die Schneide des Schwerts war so scharf, dass Nick sich in den Finger schnitt, als er sie berührte.
    »Puh«, sagte er.
    Peter strahlte. »Das ist eine echte Elfenklinge. Eine aus den weit, weit zurückliegenden großen Zeiten des Elfenvolks. Sie ist so fest und scharf, dass man Stahl mit ihr schneiden kann. Diese Klingen sind sehr selten, Nick. Ach, und sie hat natürlich einen Namen – diese albernen Elfen geben allem einen Namen. Sie heißt Maldiriel. Ich möchte, dass sie dir gehört.«
    Nick musterte sein Gegenüber. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Warum gab Peter ihm so eine Waffe? Er hatte niemandanderem von den Neuen ein solches Geschenk gemacht. »Malderal?«
    »Nein, Maldiriel«, korrigierte ihn Peter.
    »Maldiriel«, wiederholte Nick.
    »Maldiriel?«, meinte Blutrippe lachend. »Das ist ein Mädchenschwert.«
    Peter runzelte die Stirn und bedachte ihn mit einem stechenden Blick.
    »Ein Mädchenschwert?«, fragte Nick.
    »Nein«, mischte Tanngnost sich ein. »Kein Mädchenschwert. Aber das Schwert selbst ist weiblich.«
    »Mein Schwert hat ein Geschlecht?«
    »Mann, eins muss man den Elfen lassen«, sagte Blutrippe. »Die sind echt total schwul.«
    Nick betrachtete die Waffe erneut, ließ den Blick an den schlanken, anmutigen Konturen entlanggleiten. Sie sah tatsächlich ziemlich weiblich aus. »Tja, Mädchenschwert hin oder her, mir gefällt es«, sagte er.

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