Der Kinderdieb
»Geschmeidig, was?«
Peter nickte.
»Aus der Bahn.« Nick sprang auf das Skateboard, stieß sich kräftig ab und schoss durch den Laden. Er trat auf den Tail des Boards und sprang, doch als er wieder landete, rutschten die Hinterräder auf dem glatten Linoleum weg, sodass Nick kopfüber gegen einen Kleiderständer prallte und unter einem Berg Herrenpullover begraben wurde.
Nick streckte den Kopf zwischen den Kleiderbügeln und Pullis hervor. Er machte eine verwirrte, peinlich berührte Miene.
Peter lachte schallend. »Sehr eindrucksvoll!«
Nick legte die Stirn in Falten. »Ach ja? Dann zeig mal, was du so drauf hast.«
»Ach, soll ich dir also zeigen, wie man das richtig macht? Willst du das? Ich bin nämlich der Skateboard-King.« Peter schnappte sich ein Board. Er war noch nie Skateboard ge fahren, aber wenn dieser Junge das hinbekam, würde es ihm sicher auch keine Schwierigkeiten bereiten. Er ließ das Board zu Boden fallen, setzte einen Fuß darauf und stieß sich mit dem anderen kräftig ab, wie er es bei Nick gesehen hatte. Das Board eierte los, und Peter wedelte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten, während er direkt auf Nick zutorkelte. »PLATZ DA!«, schrie er und bemühte sich verzweifelt, die Kontrolle zu bewahren.
Nicks Miene wandelte sich von Belustigung in Panik, als er hastig aus dem Weg krabbelte. Peter versuchte, die Kurve zu kriegen, verlor das Gleichgewicht und landete schmerzhaft auf dem Hintern. Das Board flog wie ein Geschoss weiter und traf die Beine einer Schaufensterpuppe. Die Puppe fiel um, ihr Kopf kullerte den Gang entlang, landete genau in Nicks Schoß und lächelte mit hübschen Augen versonnen zu ihm auf. Nick erwiderte den Blick erstaunt und schaute dann zu Peter hinüber. Sie brachen beide in Gelächter aus.
»Oh mein Gott«, keuchte Nick. »Oh Mann. Das ist so was von verrückt.« Er stand auf, zielte mit dem Kopf auf eine ReiheBasketballkörbe und warf. Der Kopf prallte ans Backboard, fiel jedoch an Ring und Netz vorbei. Nick hob beide Fäuste. »Er wirft! Er ist grottenschlecht! Die Menge macht sich in die Hosen!« Er legte einen kleinen Tanz hin und versetzte seinem Skateboard einen Tritt, der es zurück auf den Gang schickte. Dann sprang er auf und fuhr los. Er fuhr hin und zurück, drehte sich und sprang, glitt und rutschte und schlängelte sich dabei um die Auslagen herum.
Peter stand auf und rieb sich den Hintern. Er warf einen abfälligen Blick auf sein Skateboard. »Das Ding ist kaputt.«
»Ja, klar.«
Peter runzelte die Stirn, nahm sich ein anderes Skateboard und begutachtete es, bevor er es auf den Boden setzte. Nick schoss laut gackernd an ihm vorbei und stieß ihn dabei fast um. Peter sprang auf sein Board und fuhr ihm hinterher. Die Räder eierten übers Linoleum, und er musste sich alle Mühe geben, damit ihm das Board nicht unter den Füßen wegrutschte. Mit einer scharfen Kehre blieb Nick vor dem Ladeneingang stehen. Peter, der nicht mehr bremsen konnte, prallte mit Nick zusammen und stieß ihn gegen die Tür. Die ganze Schaufensterfront bebte, und die Sirene einer Alarmanlage ertönte.
»OH SCHEISSE!«,
brüllte Nick, um den Lärm zu übertönen.
»WIR MÜSSEN HIER RAUS!«
Er wollte die Tür öffnen, doch sie war verschlossen. Frustriert schlug er gegen das Glas und zerrte am Türknauf, jedoch ohne Erfolg.
»WIR MÜSSEN DURCH DEN KELLER ZURÜCK. SCHNELL.«
»NEIN, MÜSSEN WIR NICHT.«
Nick schaute Peter verwirrt an. Der Junge zeigte auf eine rosa Bowlingkugel mit Spiralmuster, die im Schaufenster lag.
Nick brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, worauf sein Begleiter hinauswollte. »OH NEIN«, rief er kopfschüttelnd. »DAS KÖNNEN WIR NICHT MACHEN.« Dann trat ein Funkeln in seine Augen.
Peter kannte diesen Blick gut. Dieses Funkeln in den Augen bekamen sie alle, wenn sie erst einmal wirklich begriffen, dass sie frei waren.
Nick hob den Ball, richtete den Blick fest auf das große Schaufenster und presste die Lippen zusammen. Peter sah die Wut und den Hass und wusste, dass es hier nicht nur darum ging, aus dem Laden rauszukommen, nicht nur um einen Akt der Zerstörung oder um schlichte Mutwilligkeit. Das hier ging tiefer. Nick musste zuschlagen – er musste ausbrechen. Er war wie so viele Ausreißer, die Peter kennengelernt hatte. Man hatte ihn zu viele Jahre herumgestoßen und misshandelt, zum Schweigen gebracht und ignoriert. Solche Kinder brauchten einfach nur jemanden, der ihnen zeigte, wie man sich Luft machte. Wenn sie das
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