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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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herum war, obwohl
richtig
nicht unbedingt das passende Wort war. Peter schüttelte den Kopf. Die Steine sahen aus wie zuvor, doch der Wald –
liebe Güte
, der Wald.
    Es gab so viel zu sehen, dass er nicht wusste, wo er zuerst hinschauen sollte. Dicke, knorrige Stämme erhoben sich zu dem leuchtend bunten Blätterdach, streckten ihre von Ranken, Blüten und Früchten beschwerten Äste aus und verschränkten sie ineinander. Warme, helle Sonnenstrahlen bahnten sich einen Weg durch die Baumkronen und ließen den leichten Bodennebel schimmern. Massive, knotige Wurzeln schlängelten sich durchs dichte Unterholz, und die gefleckten Hüte riesiger Pilze lugten aus dem dichten Moos und Gras. Die Bäume, Ranken und Büsche waren von Wildblüten in allen Formen übersät, die darum zu wetteifern schienen, welche am buntesten leuchtete. Doch es waren nicht die Pflanzen, die ihn so faszinierten, sondern die kleinen Leute, von denen es Dutzendegab. Einige waren kaum größer als Bienen, andere hatten Katzengröße. Die meisten besaßen Flügel: Vogelflügel, Insektenflügel, Schmetterlingsflügel, Fledermausflügel. Nackte Geschöpfe in allen erdenklichen Farben, manche davon gescheckt oder gestreift. Sie summten und brummten, kicherten und zirpten. Tausend kleine Melodien vereinten sich zu einer fröhlichen Symphonie, während die fliegenden Geschöpfe einander über die kleine Lichtung jagten und durch die einfallenden Sonnenstrahlen tanzten.
    Die Mädchen warteten am Rande eines schmalen, verschlungenen Pfades auf ihn. Als er aus dem Kreis trat, schlugen ihm Gerüche entgegen. Unzählige Düfte erfüllten die Luft. Er atmete tief ein und sog seine Lungen mit den süßen Aromen voll.
    Ein paar Angehörige des kleinen Volks schwirrten an seinem Kopf vorbei und fingen dann an, ihn zu umkreisen, ihm durchs Haar zu wuscheln und an seinem Wolfspelz zu zupfen. Ihre leise surrenden Flügel kitzelten ihn. Peter kicherte.
    »Lasst das«, sagte er lachend und verscheuchte sie.
    Jemand schlug ihm auf die Schulter. Peter wandte sich um.
    »Du bist!«, rief eines der Mädchen, und alle drei rannten lachend über den Pfad davon.
    Peter grinste. Er konnte überhaupt nicht mehr aufhören zu grinsen. Er lief den Mädchen nach, während der Schwarm kleiner Leute ihm hinterherflog.
    Der Pfad schlängelte sich einen sanften Hang hinab, und der Wald um ihn herum veränderte sich. Der Boden unter seinen Füßen wurde erst feucht und dann sumpfig. Peter platschte durch einen schlammigen Wasserlauf und wich mehreren zugewucherten Tümpeln aus. Aus trüben Becken wuchsen knorrige, gedrungene Bäume mit ölig feuchter schwarzer Borke, von deren Ästen tropfendes Moos hing. Das Dämmerlicht, das zwischen den gelbbraunen Blättern hindurchfiel, verlieh allem einen düsteren bernsteinfarbenen Schimmer. Die zarten Düftevon Blumen und Beeren wurden durch den süßlichen, würzigen Geruch von weichem Schlamm ersetzt, und die verspielten Vogelrufe wichen quakenden und gurgelnden Lauten.
    Peter blieb stehen. Er hatte die Mädchen aus den Augen verloren. Ihm fiel auf, dass die kleinen, fliegenden Wesen ihm nicht mehr folgten, und er begriff plötzlich, dass er allein war. Ganz in der Nähe erklang ein Platschen, und Peter zuckte zusammen. Er kam zu dem Schluss, dass er den falschen Weg genommen hatte, und schickte sich an, umzukehren.
    Da waren sie – die drei Mädchen, als hätte die modrige Luft sie geboren. Sie standen vor den herabhängenden Blättern einer riesigen Trauerweide und starrten ihn mit ernsten Mienen an.
    »Wo seid ihr …«, setzte er an, doch dann nahm er eine Bewegung hinter ihnen wahr. Da war noch jemand.
    Die schattenhafte Gestalt einer Frau trat hinter dem Blättervorhang hervor.
    Peter wich einen Schritt zurück und legte eine Hand an den Griff seines Messers. »Eine Erwachsene!«, fauchte er.
    Sie war stämmig, aber kurvenreich, mit breiten Hüften und Schenkeln. Lichtpunkte tanzten auf ihrem Gesicht und enthüllten dunkle, schwere Lider und leuchtende sumpfgrüne Augen.
    Peter wollte losrennen, doch da rief sie mit einer kehligen Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war, seinen Namen. Trotzdem konnte er sie so gut verstehen, als stünde sie direkt neben ihm. Er zögerte.
    »Du bist hier herzlich willkommen, mein süßer Junge.« Ihre tiefe, volle Stimme hüllte ihn ein, tröstete und beruhigte ihn und vertrieb all seine Ängste.
    Sie trat vor, und sanftes Sonnenlicht schimmerte auf ihrer dunklen, öligen Haut. Peter schaute

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