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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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zufrieden. »Die Wunden werden mit der Zeit heilen.«
    Widerwillig riss Peter den Blick von ihr los und schaute auf seine Brust herunter. Von dem Biss war nur eine fast unsichtbare rosafarbene Narbe zurückgeblieben. Die Schnitte in seiner Seite hatten sich geschlossen, und die unzähligen Insektenstiche waren ebenfalls verschwunden.
    Sie zogen sich an und legten sich auf einen breiten, flachen Stein, um sich von der Sonne wärmen zu lassen.
    Peter beobachtete gerade einen Habicht, der sich über ihnen vom Wind tragen ließ, als plötzlich lautes Rufen und Krakeelen zwischen den Bäumen hervordrang. Einen Moment später schwang sich eine Gruppe langarmiger Geschöpfe auf die Lichtung. Sie waren etwas größer als Waschbären, und um die Hälse hatten sie schwarze Mähnen. Ihre kleinen, dunklen Augen standen dicht beieinander, und sie hatten lange Schnauzen, die Peter ein wenig an die von Wolfshunden erinnerten. Auf ihren kurzen Hinterbeinen und ihren Fingerknöcheln hüpften sie ans gegenüberliegende Ufer und tranken laut schlürfend aus dem Teich.
    »Was sind das für Wesen?«
    »Barghests«, erklärte die Dame. »Sei vorsichtig, sie können recht bösartig sein, wenn man ihnen Gelegenheit dazu gibt. Auf jeden Fall klauen sie dir alles, was sie in die Finger kriegen.«
    Die Wesen jaulten und bellten beim Trinken.
    Peter hob die Hände an den Mund und ahmte ihr Jaulen nach.
    Die Barghests verstummten und starrten zu ihm herüber. Peter sprang auf und jaulte noch ein paar Mal. Die Geschöpfe stießen ein vielstimmiges, verärgertes Gebell aus, schwangen sich in die Bäume hoch und verschwanden im Wald.
    Das herzhafte Lachen der Dame war Musik in Peters Ohren.
    »Nicht schlecht, mein Junge. Wo hast du das gelernt?«
    Peter zuckte mit den Schultern und fing an, die Pfeif-, Heul-und Zirplaute der anderen Tiere nachzuahmen. Nach und nach drehten alle um den Teich versammelten Tiere die Köpfe und musterten ihn fragend.
    Die Dame lachte lange und aus vollem Hals, und selbst die Elfen konnten ein Lächeln nicht unterdrücken.
    Dann zog ein seltsamer Schrei ihre Aufmerksamkeit auf sich. Peter sah einen großen Vogel mit feuerrotem Gefieder, der über den Teich glitt und sich in einem nahen Baum niederließ. Aus orangefarbenen Augen, die in deutlichem Kontrast zu seinem schwarzen Federkamm standen, betrachtete er den Teich.
    Die Dame schnappte leise nach Luft und sprang auf. »Peter«, flüsterte sie, »der Sonnenvogel.«
    Der Vogel hob den Kopf und sang, und alle Tiere im Wald verstummten. Das war nicht nur ein Vogelruf, sondern ein Lied aus vielfältigen Pfeif- und Zwitscherlauten. Peter hatte noch nie etwas Vergleichbares gehört.
    »Ist das nicht wunderbar?«, flüsterte sie.
    Peter nickte und schaute zu der Dame. Sie legte die Fingerspitzen an die Lippen und betrachtete wie gebannt den Vogel.
    So plötzlich, wie er aufgetaucht war, flog er fort und ließ sie allein zurück.
    »Ach, flieg nicht weg.« Die Dame seufzte. »Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit ich ein kleines Mädchen war. Sein süßes Lied erinnert mich an glücklichere Zeiten.« Dann schwieg sie, und ihr Blick schweifte in die Ferne.
    Peter sah etwas im Sonnenlicht aufblitzen und am sandigen Ufer landen. Er sprang auf, rannte hinüber und hob es auf. Es handelte sich um eine leuchtend rote Feder. Er ging zurück und hielt sie hoch, damit die Dame sie sehen konnte. Das Sonnenlicht glänzte auf den feinen Fasern, und als er die Feder drehte, glitzerte und leuchtete sie wie eine Flamme.
    Funkelndes Licht tanzte über das Gesicht der Dame. »Ach Peter. Die ist wunderschön!«
    Er überreichte sie ihr. »Sie ist für dich.«
    »Für mich? Nein, das kann ich nicht annehmen. Es ist ein zu wertvoller Schatz.«
    »Doch, das kannst du.«
    Sie nahm die Feder und drehte sie zwischen den Fingern. Ein Lächeln unverhohlenen Glücks ließ ihr Gesicht erstrahlen, und in jenem Moment sah sie aus wie ein kleines Mädchen.
    Peter legte die Hände an den Mund und begann zu pfeifen und zu trällern, in dem Versuch, das Lied des Sonnenvogels nachzuahmen. Erst bekam er es nicht richtig hin, doch nach ein paar Versuchen hatte er den Dreh raus und trällerte das Lied von Anfang bis Ende.
    Die Dame starrte ihn zutiefst verblüfft an und nahm dann seine Hand zwischen die ihren. »Das ist ja wunderbar! Du musst zum Teil ein Vogel sein.«
    »Das bin ich«, sagte Peter stolz. »Ich bin nämlich ein Petervogel.«
    »Nun denn, Petervogel, du musst mich bei Hof besuchen und für mich

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