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Der Kinderdieb

Titel: Der Kinderdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brom
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singen. Abgemacht?«
    Er nickte begeistert.
    »Gut.« Sie musterte ihn eine ganze Weile lang eindringlich. Peter wusste nicht recht, was er davon halten sollte. »Eines noch.« Sie griff sich in den Nacken, löste die Goldkette und hielt sie Peter hin, sodass er den Stern mit den acht Spitzen sehen konnte. Ihm fiel auf, dass er eigentlich aus dünnen, angelaufenen Golddrähten bestand, die sich um einen dunklen Stein schlangen. »Das hier hat mal einem anderen kleinen Jungen gehört, einem ganz besonderen kleinen Jungen. Ich habe ihn verloren. Ich möchte, dass du es nun für einige Zeit trägst. Würdest du das für mich tun?«
    Erneut nickte Peter.
    Sie hängte dem Jungen die Kette um den Hals und küsste ihn auf den Kopf. »Mein kleiner Mabon«, flüsterte sie, so leise, dass er es fast nicht gehört hätte.
    Als Peter den Stern in die Hand nahm, begann dieser schwach zu leuchten.
    Als die Dame das sah, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie streckte die Arme aus, drückte Peter an sich und hielt ihn lange so umarmt. Sie roch nach Blüten und nach süßem Wasser.
    Erneut vernahm Peter ihre Stimme in seinem Kopf, oder vielleicht eher in seinem Herzen, wie eben im Teich.
Du gehörst mir. Auf ewig mir.
    Ja
, antwortete er.
Auf ewig
.
     
    »He«, rief Nathan, »warte auf mich.«
    Dem Kinderdieb wurde klar, dass er sich in Gedanken verloren hatte und den Jungen daher beinahe versehentlich abgehängt hätte. Er wusste es eigentlich besser, wusste, dass der Nebel sich in seine Gedanken einschlich und seine Spielchen mit ihm trieb, wenn er ihm die Gelegenheit dazu gab.
Wie dumm
, dachte er.
Unvorsichtig und dumm
. Und jetzt schrie der Junge auch noch hier im Nebel rum.
    Peter wartete, suchte die wabernde Wand silbrigen Lichts mit den Augen ab und lauschte. Hatten die Sluagh ihn gehört? Waren sie etwa schon auf dem Weg?
    »Das gefällt mir alles nicht«, sagte Nathan. »Wo sind wir hier?«
    Peter legte einen Finger an die Lippen. »Psst!«, flüsterte er. »Du musst leise sein, sonst hören sie uns. Jetzt lass uns weitergehen.«
    »Wovon redest du?«
    Peter antwortete nicht. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt zum Reden. Er wandte sich ab und schaute sich nach dem Weg um. Dort war er, direkt vor ihm, der dünne goldene Faden, der sich hierhin und dorthin bewegte und davontrieb, als würde er von einem unmerklichen Wind fortgeblasen. Man musste sich dicht an den Weg halten, sonst ließ er einen zurück. Peter ging Richtung Weg, doch dann merkte er, dass Nathan ihm nicht folgte.
    Der Junge starrte zu Boden. »Sieh mal!«, rief Nathan und zeigte auf etwas.
    Peter musste nicht hinschauen. Er wusste, worum es sich handelte.
    »Das sind Knochen. Verdammt noch mal, das ist ein Kopf!« Nathan starrte seinen Begleiter mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen an. »Was ist das hier für ein Ort?«
    Peter hob rasch den Finger an die Lippen. Dieser Junge musste endlich still sein. Er
musste
still sein!
    »Erzähl mir nichts von
Psst
«, sagte Nathan laut. »Ich hab dir eine Frage gestellt. Verdammt noch mal, wo sind wir hier?«
    Peter biss die Zähne zusammen und versuchte sich zu beherrschen. Dieser kleine Idiot würde sie noch beide in den Tod reißen. Er warf einen Blick in Richtung des davontreibenden Pfads. Er wagte es nicht, ihn außer Sicht geraten zu lassen, aber sie brauchten diesen Jungen. Peter trat auf ihn zu.
    Nathan stolperte rückwärts, riss seine Pistole heraus und richtete sie auf Peter. Der blieb reglos stehen.
    »SCHEISSE, BLEIB WEG VON MIR!«,
brüllte der Junge.
    Peter hörte den entfernten Klang von Kinderlachen, und das Blut gefror ihm in den Adern. Das Lachen wurde lauter und mischte sich mit Heulen, Wehklagen und den keckernden Schreien der Greisinnen. Der Nebel regte sich.
    Der Junge blickte sich hektisch um. »Was ist das? Hä? Was
ist
das?«
    Der Weg trieb weiter davon. Gleich würden sie ihn verlieren. »Hör zu, Nathan«, sagte Peter so ruhig wie möglich. »Du hast nur eine Chance. Du folgst mir jetzt auf der Stelle. Beweg dich, sonst wirst du den Nebel nie wieder verlassen.«
    Doch Nathan achtete nicht auf Peter. Er wirbelte erst links, dann rechts herum und hielt mit schreckgeweiteten Augen die Waffe vor sich.
»BLEIBT WEG VON MIR!«,
kreischte er.
    Dann kamen die Sluagh. Den Anfang machten die fliegenden Köpfe, die den Jungen sofort umkreisten, gefolgt von den nackten, knorrigen Frauen, die sich fröhlich tanzend an den Händen hielten. Dann stürzten Monster in allen Formen und Größen

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