Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)
sagen?«
»Ja.«
»Hübscher als Emily Morrison?«
»Was?«
»Ich sagte, war sie hübscher als Emily Morrison? Ich meine, welche von den beiden, würden Sie sagen, war die attraktivere? Welche hat Ihnen besser gefallen?«
»Also, das ist jetzt wirklich total lächerlich. Sie halten sich für oberschlau, aber Sie machen sich nur lächerlich mit Ihren Spielchen.«
»Was für Spielchen, Stephen? Was sollen das für Spielchen sein?«
»Das wissen Sie verdammt genau.«
»Sagen Sie es mir.«
»Reinlegen wollen Sie mich. Sie glauben, Sie können mich reinlegen, damit ich was zugebe, was gar nicht stimmt.«
»Zugeben, Stephen? Was glauben Sie denn, sollen Sie zugeben? Dass Sie ein Mädchen hübscher finden als ein anderes? Das ist ja wohl kaum ein Verbrechen.«
»Gut«, sagte Shepperd, stieß seinen Stuhl zurück und stand auf. »Das reicht.«
Resnick und Naylor sahen ihn an, ohne etwas zu sagen.
»Sie haben mich nach Emily gefragt, und ich habe Ihnen gesagt, dass ich weiß, wer sie ist, und dass ich ein- oder zweimal in Joans Klasse mit ihr geredet habe. Sie haben mit allen möglichen Tricks versucht, mich dazu zu kriegen, dass ich sage, ich wär an dem Tag, an dem sie verschwunden ist, in der Nähe ihres Hauses gewesen, aber es hat nicht geklappt, weil ich nicht dort war. Und jetzt wollen Sie von mir, dass ich sage, ich hätte diese Gloria genauso gekannt, wie ich Emily gekannt habe, aber das ist nicht wahr. So einfach ist das. Ich sag jetzt keinen Ton mehr. Und Sie haben vorhin selbst gemeint, dass Sie mich nicht zwingen können. Jedenfalls nicht, ohne mich zu verhaften, richtig?«
Resnick gab Naylor ein Zeichen, das Aufnahmegerät auszuschalten.
»Also frage ich Sie«, sagte Shepperd, »nehmen Sie mich jetzt fest?«
»Jetzt nicht, nein«, antwortete Resnick. »Noch nicht.«
»Gott, war das blöd. So verdammt blöd … Er hat es uns auch noch selbst gesagt, Sie halten sich wohl für oberschlau, aber Sie machen sich nur lächerlich, und er hatte recht. Ich habe viel zu sehr gedrängt und gebohrt und dannauch noch in der falschen Richtung. Kein Wunder, dass ich das Gegenteil von dem bekommen habe, was ich wollte. Jetzt wird er uns gar nichts mehr sagen, ohne dass wir ihn festnehmen, und wir können ihn nicht festnehmen, wenn er uns nicht mehr verrät, als wir schon wissen. Herrgott noch mal, so ein Schlamassel!«
Skelton wanderte von seinem Schreibtisch zur Kaffeemaschine. »Halten Sie sich an die Ehefrau, Charlie. Da kriegen Sie Ihre Antworten. Wenn sie wirklich diejenige war, die bei uns angerufen hat.«
»Das wissen wir eben nicht mit Sicherheit.«
Skelton zuckte mit den Schultern. »Lynn Kellogg schien ziemlich sicher zu sein. Auf jeden Fall müssen Sie mit ihr reden. Inzwischen schlucken Sie mal das hier.«
Resnick nahm ihm den Becher Kaffee ab und hielt ihn in beiden Händen.
»Wenn er es ist, Charlie, wenn dieser Shepperd der Mann ist, den wir suchen, dann wissen Sie wohl, was das für die kleine Morrison bedeutet?«
Resnick nickte langsam und schloss die Augen. Der Kaffee, den Skelton ihm eingeschenkt hatte, war abgestanden und bitter.
Diana hatte Jacqueline ausdrücklich gebeten, ihr die Alben von zu Hause mitzubringen, und irgendwann gingen die Entschuldigungen aus. Zwar hatten Nachbarn, von denen jeder den anderen mit Geschichten von einem volltrunkenen Ehemann, von Krankenwagen, Polizei und Messerstechereien übertreffen wollte, ihr alles brühwarm berichtet, doch Jacqueline entschied sich für eine Lüge: Jugendliche waren ins Haus eingebrochen, hatten es ziemlich böse verwüstet, aber nichts weiter mitgenommen. Sie und Diana setzten sich zusammen in den Tagesraum und rekonstruierten die Alben, so gut es ging.
»Glaubst du«, fragte Diana, die ein Bild von Emily in der Hand hielt, »Michael erlaubt ihr, mich zu besuchen, wenn es mir ein bisschen besser geht?«
»Ich hoffe es«, antwortete Jackie, das Gesicht abgewandt. »Ich finde, er sollte.«
Diana lächelte. Natürlich, wieso sollte er ihr das verweigern? Schließlich war sie Emilys wegen in die Klinik gegangen. Weil sie wollte, dass zwischen ihnen alles stimmte. Es war eine Vorsichtsmaßnahme, zu der sie gegriffen hatte, um zu verhindern, dass sie einen Fehler beging.
»Wer ist das?«, fragte Jackie. »Im ersten Moment dachte ich, es wäre Michael, aber jetzt sehe ich, dass er es nicht ist.«
Diana nahm das Foto und sah es sich an: ein Mann auf einem bunt bemalten Holzpferd, ein Karussell auf dem Jahrmarkt. Emily vor dem Mann,
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