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Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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die Beine um den Hals des Pferdes geschlungen. Obwohl das Bild durch die schnelle Bewegung unscharf war, konnte man eines deutlich erkennen: die helle Freude im Gesicht des kleinen Mädchens, das sich lachend zu dem Mann umdreht, der sie festhält.
    »Geoffrey«, sagte sie.
    »Wer?«
    »Michaels Bruder Geoffrey. Er kam jedes Jahr herüber, von der Isle of Man, wo er lebt, nur um mit Emily auf den Goose Fair zu gehen.« Diana lächelte wieder. Sie lächelte viel heute, war mit ihrem Lächeln beinahe so freigebig wie in besseren Zeiten in Yorkshire. Jacqueline nahm es als gutes Zeichen. »Er ist rührend mit Emily, als wäre sie sein eigenes Kind, wirklich. Ich glaube, Michael war manchmal ganz schön eifersüchtig, aber ist das bei Brüdern nicht normal?«
    »Nicht nur bei Brüdern, bei Männern.« Jackie lachte. »Die sind alle miteinander Brüder genug, oder jedenfalls die meisten von ihnen.«
    Obwohl sie in der Nähe des Parks wohnten, ging Joan Shepperd fast nie dorthin. Ja, gut, sie kam daran vorbei, wenn sie die Abkürzung zwischen der Church Street und der Derby Road nahm, aber sie blieb fast nie, so wie jetzt, wo sie sich auf eine Bank bei der Spielwiese gesetzt hatte, nicht weit von der Magnolie, die im Frühjahr so herrlich blühte. Nur schade, dass es immer ein so kurzes Vergnügen war. Manchmal reichte schon ein kräftiger Wind.
    Sie konnte die Stimmen der Kinder auf den Schaukeln hören, es gab inzwischen die neben der Wiese und andere, weiter oben beim Tor. Da waren immer Kinder, praktisch bei jedem Wetter. Viele kannten sie natürlich und riefen ihr zu, wenn sie vorüberging. »Mrs Shepperd! Mrs Shepperd! Miss! Miss!« Die älteren Kinder spielten Schlagball und Fußball. Männer in Trainingsanzügen rannten Runde um Runde auf dem Fußweg, den Blick immer auf der Uhr. Andere, wie Stephen, die keine Rekorde brechen wollten, joggten einfach gemütlich vor sich hin und sahen dabei den Kindern beim Spielen zu.
    Als sie Resnick um die Spielwiese herum im flatternden Trenchcoat auf sich zukommen sah, war ihr erster Impuls, wegzusehen. Vielleicht würde er sie ja nicht erkennen, wenn sie so tat, als bemerkte sie ihn nicht. Aber dafür war es zu spät. Und im Gegensatz zu den Kindern, die sie unterrichtete, wusste sie, dass der Schwarze Mann nicht wegging, wenn man sich die Augen zuhielt.
    Resnick setzte sich neben sie und zog seinen Mantel zurecht. Eine Weile sagte keiner von beiden etwas. Hinter ihnen fuhr ein Schnellzug einige wenige Glückliche nach Mansfield, eine Stadt, die Resnick nur besuchte, wenn County in derselben Liga war und auswärts spielte. Beim letzten Mal hatte Schnee aus den Bergen das Stadion überzogen, von einem Wind getragen, der das Spiel zur Farce machte und Resnick an Sibirien denken ließ. Nur indem erheiße Fleischpasteten kaufte, eine nach der anderen, und sie in den behandschuhten Händen hielt, hatte er seine Finger vor Erfrierungen bewahrt.
    »Uns hat heute Morgen jemand angerufen«, sagte Resnick. »Mit Informationen, die Ihre Arbeit und damit indirekt Ihren Mann betrafen.«
    Joan Shepperd beobachtete unverwandt eine Mutter, die ihr höchstens dreijähriges Kind auf einer der Schaukeln anschubste. Immer im selben einförmigen Rhythmus.
    »Es war natürlich hilfreich. Wir sind wirklich dankbar dafür. Ich weiß nur nicht, ob es reichen wird.«
    Die Mutter achtete darauf, wie Joan bemerkte, die Schaukel nie zu hoch fliegen zu lassen, damit das Kind keine Angst bekam.
    »Ich würde niemals gegen meinen Mann aussagen, Inspector, selbst wenn ich überzeugt wäre, dass er Unrecht getan hat. Selbst wenn er schreckliche Dinge getan hätte. Ich könnte das nicht über mich bringen. Weder vor Gericht noch Ihnen gegenüber. Tut mir leid.«
    Resnick blieb noch einige Augenblicke sitzen und prüfte im Stillen alle Fragen, die er vielleicht noch stellen konnte. Als ihm schließlich klar war, dass keine von ihnen die richtige war, stand er auf und ging.

43
    Das war der Teil der Stadt, den Raymond am meisten hasste, von Millet und Marks & Spencer bis hinunter zu der Gegend, wo Sara arbeitete, noch hinter C&A. Und zum Wochenende hin wurde es sogar noch schlimmer. Kein Wunder, bei diesen grünen Gemüsefressern, die einem vor der Kirche Aufrufe zur Freilassung von politischen Gefangenen und gegen Massentierhaltung unter die Nasehielten, und den Linken, die erwarteten, dass man für eine Zeitung zahlte, die keinen Sportteil und kein Fernsehprogramm hatte, und dann auch noch den Spinnern, die mit

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