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Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Kinderfänger: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Harvey
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weiter zurück, den Stuhl halb zur Seite gedreht.
    »Stephen? Der Tee?«
    »In Ordnung.«
    »Gut.« Resnick zog ein Gesicht, als er seinen Kaffee probierte, und gab Milch dazu, immer noch das kleinere Übel. Er richtete den Blick auf Naylor und das Aufnahmegerät. »Also, Stephen, wollen wir weitermachen?«
    Keine Antwort.
    Naylor schaltete den Apparat ein. »Die Befragung«, sagte Resnick, »wird um elf Uhr siebenundvierzig fortgesetzt. Anwesend sind dieselben Beamten.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, um nicht nur entspannt zu wirken, sondern auch möglichst bequem zu sitzen. »Vergessenwir Emily Morrison fürs Erste; unterhalten wir uns über Gloria Summers.«
    Shepperd zuckte zusammen. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt …«
    »Über Gloria haben Sie uns noch gar nichts gesagt, Stephen.«
    »Ich habe Ihnen gesagt, dass ich sie nicht kenne.«
    »Gloria.«
    »Ja.«
    »Aber Sie wissen, von wem wir sprechen?«
    Shepperd senkte den Kopf, seine Worte waren undeutlich. »Sie meinen das kleine Mädchen, das … das umgebracht worden ist.«
    »Ganz recht. Gloria Summers.«
    »Ich kenne sie nicht.«
    »Aber sie war in der Klasse Ihrer Frau.«
    »Nicht lange.«
    »Wie bitte?«
    »Sie war nicht lange an der Schule. Joan, meine ich. Sie war nur ganz kurz dort.«
    »Immerhin ein halbes Trimester.«
    »Nein.«
    »Die Schulleiterin hat uns gesagt, dass Ihre Frau fast ein halbes Trimester an der Schule unterrichtet hat. Wie lang ist das? Sechs Wochen? Acht?«
    Shepperd schüttelte heftig den Kopf. »Nie im Leben war sie so lange da. Nie im Leben.«
    »Aber solange sie dort war, egal wie lang das war, sind Sie mit ihr in die Schule gefahren?«
    »Ich habe sie meistens gefahren, ja. Sie hat keinen Führerschein.«
    »Sie haben ihr ihre Sachen hineingetragen?«
    »Nein.«
    »Nie?«
    »Nur ganz selten.«
    »Bei den vielen Sachen, die die Lehrkräfte der Kleinen immer dabeihaben müssen? Eierkartons und leere Schachteln und Bilder und weiß der Himmel was sonst noch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie im Auto sitzen bleiben und Ihre Frau allein mit dem Kram fertig werden muss.«
    »Ja, gut, ich habe ihr manchmal geholfen, wenn’s nötig war.«
    »Und in der Schule haben Sie auch geholfen.« Resnick, nicht mehr so lässig jetzt, begann, leicht Druck zu machen. »Die Schulleiterin hat Sie über den grünen Klee gelobt. Die viele Zeit, die sie in die Arbeit gesteckt haben, Ihre ganze Erfahrung. Man wollte sich Ihnen gegenüber ja sogar erkenntlich zeigen …«
    »Ich hab nichts dafür bekommen.«
    »Nur weil Sie abgelehnt haben.«
    »Ich hab nichts bekommen.«
    »Die Schule war aber der Meinung, dass all das, was Sie getan hatten, entsprechend honoriert werden sollte. Sie waren Ihnen unerhört dankbar. Für die reparierten Geräte, die neuen Haken in den Garderoben …«
    »Was ich getan habe, war nichts. Es ging ruckzuck, deshalb wollte ich auch nichts dafür haben.«
    Resnick merkte, dass er, die Arme auf dem Tisch, viel zu weit vorgebeugt saß; langsam richtete er sich auf, lehnte sich zurück und lächelte. »Sie sind ein bescheidener Mensch, Stephen. Sie mögen es nicht, wenn die Leute Aufhebens um Sie machen.«
    Stephen Shepperd blickte zur Decke hinauf und schloss langsam die Augen.
    »Als später, nachdem Ihre Frau an der Schule aufgehört hatte, Gloria verschwand, als es in allen Zeitungen stand und alle davon redeten, als auch Ihre Frau vermutlich davon redete, da wussten Sie, um wen es ging?«
    Shepperds Hände klemmten wieder zwischen seinen Beinen, die Handgelenke fest aneinandergepresst.
    »Wenn sie mit Ihnen darüber sprach, dann wussten Sie, wen sie meinte?«
    »Ja, natürlich.«
    »Sie haben sie also gekannt?«
    »Nein, gekannt nicht, aber wenn sie von Gloria sprach, wusste ich, wer damit gemeint war.«
    »Sie erinnern sich an sie?«
    »Ihr Bild war ja überall zu sehen. Es hing praktisch in jedem Schaufenster in der Stadt.«
    »Aber Sie kannten sie nicht aus der Schule? Aus der Klasse Ihrer Frau?«
    »Nein, nicht besser als die anderen Kinder.«
    »Und können Sie sich jetzt noch erinnern, wie sie aussah, Stephen?«
    »Wozu? Ich meine, ich sehe nicht ganz, wozu ich …«
    »Wie hat sie ausgesehen, Stephen? Wie hat die kleine Gloria ausgesehen?«
    Der Nerv neben seinem Auge hatte wieder zu zucken begonnen. »Sie war, ich weiß auch nicht, wie würde man sie beschreiben? Als hübsch wahrscheinlich. Blondes Haar, eher lang. Ich weiß nicht, was es da sonst noch zu sagen gäbe.«
    »Aber hübsch, würden Sie

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