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Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Mund trocken; sein Magen verkrampfte sich. War es die Fürstin Niu? Oder eine der anderen Frauen? Oder ein Wachtposten, der das zerrissene Fenster entdeckt hatte? Die Schritte wurden lauter.
    Jetzt konnte Sano auch das Mädchen schon hören. Leise summte es eine Melodie, während es aus der anderen Richtung immer näher kam. Sano war der Fluchtweg zu beiden Seiten abgeschnitten. Rasch schob er die Tür des Zimmers auf, das ihm am nächsten war, um sich darin zu verstecken, bis das Mädchen und die zweite, unsichtbare Person verschwunden waren, um dann die Suche nach Fürst Nius Unterkünften weiterzuführen. Zu seiner Enttäuschung befand sich kein Zimmer hinter der Tür, sondern nur ein großer Vorratsschrank, der bis obenhin mit Schachteln und Kisten gefüllt war, so daß kein Platz für Sano blieb. Er mußte fliehen – in die eine oder andere Richtung. Er zog es vor, der unbekannten und möglicherweise größeren Bedrohung aus dem Weg zu gehen und stürmte den Flur in die Richtung hinunter, aus der sich das Mädchen näherte.
    Sie stieß einen dumpfen Laut des Erschreckens aus, als Sano an ihr vorüberhuschte. Dann schrie sie mit gellender Stimme:
    »Ein Dieb! Zu Hilfe!«
    Sano flüchtete durch die nächste Tür in der Wand, die zur Außenseite des Gebäudes führte. Doch anstelle eines der äußeren Flure lag ein langer, schmaler Durchgang vor ihm. Das Mädchen schrie immer noch. Sano stürmte den Gang hinunter. Durch eine Tür am Ende des Gangs gelangte er in einen angrenzenden Gebäudeteil. Er lief durch das Labyrinth der Flure und rannte an schier endlos langen, holzverkleideten Wänden vorbei, deren Einförmigkeit nur durch vergitterte, mit Papier bespannte Fenster unterbrochen wurde. An der Gebäudeinnenseite waren die Fenster in den Fluren dunkel, während Sano durch die Fenster, die nach außen zeigten, das schwache Licht von Lampen sehen konnte, die im Garten brannten. Doch die Schatten dicker Holzgitter vor diesen Fenstern ließen Sano erkennen, daß ihm dieser Fluchtweg nach draußen versperrt war. Wo befand sich die Ausgangstür? So zuwider es Sano auch war, aus der Villa fliehen zu müssen, ohne daß er die Schriftrolle an sich gebracht hatte – er mußte hier raus. Auf der Stelle. Bevor die Wachtposten erschienen.
    Er bog um eine Ecke. Plötzlich gab der Fußboden zu seinem Entsetzen bei jedem Schritt ein lautes, zwitscherndes Geräusch von sich. Sano hatte einen »Nachtigallenweg« betreten, einen speziell konstruierten Fußboden, der die Hausbewohner durch seine schrillen, durchdringenden Geräusche vor Eindringlingen warnte. Mönche, Adelige und Kriegsherren benutzten dieses Alarmsystem seit Jahrhunderten. Sano fluchte lautlos. Er hätte damit rechnen müssen, daß auch die Nius es einsetzten. Er versuchte, so behutsam wie möglich aufzutreten und dicht an der Wand zu bleiben. Doch die Nachtigallen sangen weiter.
    Der Flur führte im rechten Winkel in einen weiteren Korridor. Ein Schwall kalter Luft wehte Sano entgegen; er drang aus einer geöffneten Tür, durch die ein kleines Stück des Gartens zu sehen war, vom Licht der Laternen erhellt. Doch als Sano auf die Tür zurannte, erschien ein paar Schritte voraus, in der Wand aus Papier, plötzlich ein horizontales Rechteck aus Licht, als jemand in einem der Zimmer eine Lampe anzündete. Eine Tür wurde aufgeschoben. Licht fiel auf den Flur. Eine hochgewachsene Gestalt trat Sano in den Weg.
    Sano wollte dem Unbekannten gar nicht erst die Gelegenheit geben, irgend etwas zu sagen. Er stieß den Fremden zur Seite und stürmte auf die Tür zu, sprang hinaus in den Garten und flüchtete weiter.
    »Eii -chan!«, rief eine Frauenstimme im Flur hinter ihm.
    Zu spät sah Sano die dunkle Gestalt, die aus dem Schatten zu seiner Rechten erschien. Er versuchte, mit einem raschen Schritt zur Seite auszuweichen, doch er war zu langsam. Der riesige Mann stieß mit voller Wucht gegen ihn und schleuderte ihn zu Boden. Der Aufprall des schweren Körpers erschütterte Sano bis ins Mark. Die Maske flog ihm vom Gesicht; das Schwert fiel ihm aus der Hand. Wilder Schmerz raste durch seine linke Hüfte, die die volle Wucht des Sturzes aufgefangen hatte. Er rollte sich herum, wollte sein Schwert ergreifen und kämpfen, doch die starken Hände des Angreifers packten Sano und hielten ihn am Boden, preßten sein Gesicht in den Schmutz. Schwere Knie drückten ihm ins Kreuz. Stählerne Arme hielten seinen Brustkasten und die Schultern in lähmender Umarmung. Langsam,

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