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Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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herauszuprügeln. Die Vernunft sagte ihm, daß er Geduld haben und einen anderen Weg suchen mußte, der zu Wissen und Wahrheit führte. Falls er diesen Weg nicht fand, konnte er diesem Laden immer noch einen zweiten Besuch abstatten.
    »Danke für Eure freundliche Hilfe«, sagte er. »Dürfte ich jetzt ein Wort mit Euren Angestellten reden?« Vielleicht konnten sie ihm mehr über Noriyoshis Aktivitäten berichten.
    Kurze Zeit später kehrte Sano durch die enge, schummrige Passage in den Laden zurück. Er war ratloser als zuvor. Die drei Künstler – alle mindestens zwanzig Jahre jünger als Noriyoshi – hatten ihren einstigen Kollegen kaum gekannt. Sie behaupteten, aus den Provinzen nach Edo gekommen zu sein und erst seit einem Jahr für Kirschenesser zu arbeiten. Noriyoshi hätte nur wenig Zeit mit ihnen verbracht, und sie wüßten nicht, wohin er in seinen Mußestunden gegangen sei und mit wem er sie verbracht habe. Sano hatte die drei jungen Männer einzeln befragt; aufgrund der übereinstimmenden Aussagen glaubte er, daß sie die Wahrheit gesagt hatten. Falls Noriyoshis Freunde sich als ebenso verschlossen erwiesen wie Kirschenesser, blieb Sano keine andere Wahl, als die Einwohner des gesamten Viertels zu befragen, um vielleicht jemanden aufzustöbern, der ihm ausführlichere Informationen geben konnte und wollte. Vielleicht kann Tsunehiko dir helfen, überlegte Sano; doch große Hoffnungen hatte er nicht. Er fragte sich, wo der junge Bursche steckte.
    Als Sano durch die Tür in der Wand ins Geschäft trat, sah er Kirschenesser mit einem gebrechlich aussehenden, glatzköpfigen alten Mann sprechen, der draußen auf der Straße stand. In der einen Hand hielt der Fremde einen langen Gehstock, in der anderen eine Flöte aus Holz. Die beiden Männer unterhielten sich in gedämpftem, drängendem Tonfall.
    Als Kirschenesser Sano erblickte, verstummte er sofort. »Geh jetzt«, sagte er zu dem Alten. »Wir reden später weiter.«
    Doch der alte Mann lehnte seinen Gehstock an die Schulter und streckte Sano die Hand hin. »Herr Samurai! Ich bin Heilende Hände, der beste blinde Masseur von ganz Edo! Habt Ihr Schmerzen? Oder nervöse Beschwerden? Dann erlaubt mir, Euch davon zu befreien! Meine Fähigkeiten sind berühmt und meine Preise niedrig.« Er richtete die blicklosen Augen auf Sano. Fahl und trüb, erinnerten sie an die Augen eines toten Fisches.
    Sano fragte sich, woher der Blinde wissen konnte, daß er einen Samurai vor sich hatte. Entweder mußte Kirschenesser es ihm gesagt haben, oder der alte Mann hatte das Haaröl Sanos gerochen. Blinde entwickelten einen ausgeprägten Geruchssinn.
    »Ich könnte Euch mit Geschichten die Zeit vertreiben, während ich Euch behandle, Herr«, fuhr der Masseur fort. »Möchtet Ihr eine Kostprobe hören?«
    Ohne die Antwort abzuwarten, begann er mit einer Geschichte, die »Der Hunde-Shōgun« hieß. Die kratzige Stimme des Alten wurde zu einem monotonen Singsang. »Tokugawa Tsunayoshi war ein tüchtiger Regent und ein großer Mann, doch wollte es ihm nicht gelingen, einen Erben zu zeugen. Darauf holte seine Mutter, die Fürstin Keisho-in, sich Rat bei dem buddhistischen Priester Ryūkō. Dieser sagte ihr, daß Tsunayoshi, um einen Sohn zeugen zu können, erst für die Sünden seiner Ahnen büßen müsse. Gemeinsam gelang es der Fürstin Keisho-in und Ryūkō, Tokugawa Tsunayoshi davon zu überzeugen, daß er diese Buße tun könne, wenn er ein Gesetz zum Schutz der Hunde erließe; denn Tsunayoshi war im Jahr des Hundes geboren.
    Deshalb müssen streunende Hunde nunmehr gefüttert und gehegt werden. Kampfhunde dürfen nicht mehr durch Schläge, sondern nur durch einen Schwall kalten Wassers voneinander getrennt werden. Wer einen Hund verletzt, kommt in den Kerker; wer einen Hund tötet, wird hingerichtet. Wir müssen alle Hunde mit Respekt behandeln. Und zwar so!«
    Heilende Hände eilte zu einem Hund, der die Straße hinuntertrottete. Der Masseur mußte den Hund gerochen haben, oder er hatte gehört, wie die Krallen des Tieres auf den harten Boden klickten. Mit einer tiefen Verbeugung rief er: »Ich grüße Euch, o oinu-sama, ehrenwerter Hund!« Dann wandte er sich zu Sano um. »Ich kenne noch viele andere Geschichten, Herr. Möchtet Ihr sie hören, während Ihr meine wohltuende Massage genießt?«
    Sano lächelte und fragte sich, ob die Massagen des alten Mannes besser waren als seine Geschichten. Die vom Hunde-Shōgun war ein alter Hut; jeder hatte sie gehört, als Tokugawa

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